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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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ist. Und dass Sie früher Kriminalkommissar am Alex in Berlin waren. Ein Bulle. Genau wie ich.»
    «Sie sehen gar nicht aus wie ein Bulle.»
    «Danke. Ich nehme das als Kompliment, Herr Kommissar.»
    «Das war vor zehn Jahren», sagte ich. «Die meiste Zeit war ich nur Inspektor. Oder Privatdetektiv.»
    Der Amerikaner machte eine Kopfbewegung zum Fenster hin. «Der Kerl dort im Auto ist mit Handschellen ans Steuerrad gekettet. Er ist ein Kriegsverbrecher. Das, was Ihre deutschen Zeitungen eine Rotjacke nennen würden. Während des Krieges war er hier in Dachau stationiert. Hat im Krematorium gearbeitet, Leichen verbrannt und dafür zwanzig Jahre gekriegt. Wenn Sie mich fragen, hätte er den Strang verdient. Das haben sie alle. Aber wenn er gehängt worden wäre, dann säße er jetzt nicht da draußen und könnte mir nicht bei meinen Nachforschungen behilflich sein. Und dann hätte ich nie das Vergnügen Ihrer Bekanntschaft gehabt.»
    Er blies Rauch an die Kassettendecke und pflückte sich dann einen Tabakkrümel von der redegewandten rosa Zunge. Hätte ich ihm jetzt einen Kinnhaken verpasst, wäre seine Zungenspitze ab gewesen. Ich konnte den Mann draußen im Auto verstehen. Den, der den Ami bis aufs Blut hasste. Ich hatte etwas gegen die Manieren des Yankees und gegen die Überlegenheit, die er mir gegenüber an den Tag legte. Aber ihn dafür k.   o. zu schlagen, lohnte sich nicht. Ich befand mich in der amerikanischen Zone, und wir wussten beide, dass er mir Ärger machen konnte. Ich wollte keinen Ärger mit den Amis. Schon gar nicht nach dem Ärger, den ich mit den Russkis gehabt hatte. Also behielt ich die Fäuste in der Tasche. Außerdem stand da immer noch die Kleinigkeit von hundert Mark im Raum. Hundert Mark waren hundert Mark.
    «Der Kerl im Wagen war anscheinend mit Ihrem Schwiegervater befreundet», sagte der Amerikaner. Er drehte sich um und marschierte in die Hotelbar. «Ich nehme an, er und seine SS-Kumpels sind hier seinerzeit ein und aus gegangen.» Ich sah, wie er die dreckigen Gläser auf der Theke, die überquellenden Aschenbecher und die Bierflecken auf dem Boden musterte. Das hatte alles ich hinterlassen. Diese Bar war der einzige Ort im Hotel, wo ich mich wirklich zu Hause fühlte. «Das waren wohl noch bessere Zeiten, was?» Er lachte. «Wissen Sie was? Sie sollten wieder Polizist werden, Gunther. Zum Hotelier sind Sie jedenfalls nicht geboren, so viel steht fest. Du liebe Güte, ich habe ja schon Leichensäcke gesehen, die gemütlicher waren als dieses Hotel.»
    «Niemand hat Sie gebeten, hier hereinzukommen und zu fraternisieren», sagte ich.
    «Fraternisieren?» Er lachte. «Tun wir das? Nein, ich glaube nicht. Fraternisieren hat so etwas Brüderliches. Aber das empfinde ich nun mal nicht für jemanden, der in einer solchen Stadt leben kann.»
    «Machen Sie sich nichts draus», sagte ich. «Ich bin Einzelkind. Überhaupt nicht der brüderliche Typ. Ehrlich gesagt, würde ich lieber die Aschenbecher leeren, als mit Ihnen zu reden.»
    «Wolf, der Kerl im Auto», sagte der Amerikaner, «der war ein richtig geschäftstüchtiger Mann. Bevor er die Leichen verbrannt hat, hat er ihnen mit einer Kneifzange die Goldzähne herausgebrochen. Er hatte eine Astschere, um Finger abzuschneiden, damit er an die Eheringe kam. Er hatte sogar eine Spezialpinzette, um die intimen Körperteile der Toten auf Geldscheinrollen, Juwelen und Goldmünzen durchsuchen zu können. Es ist erstaunlich, was er alles gefunden hat. Genug, um eine leere Weinkiste zu füllen, die er vor der Befreiung des Lagers im Garten Ihres Schwiegervaters vergraben hat.»
    «Und Sie wollen sie wieder ausgraben?»
    «Ich werde gar nichts ausgraben.» Der Amerikaner zeigte mit dem Daumen auf die Eingangstür. «Er wird es tun, wenn er weiß, was gut für ihn ist.»
    «Wie kommen Sie drauf, dass die Kiste noch da ist?»
    Er sagte achselzuckend: «Man kann wohl davon ausgehen, dass Ihr Schwiegervater, Herr Handlöser, sie nicht gefunden hat. Sonst wäre dieses Hotel wohl in wesentlich besserem Zustand. Und er hätte wahrscheinlich nicht den Kopf auf die Schienen der Bahnlinie nach Altomünster gelegt wie einst Anna Karenina. Ich wette, bei ihm kam der Zug pünktlicher als bei ihr. Das ist das Einzige, was ihr Krauts wirklich gut macht. Das mit den Zügen. Muss ich euch lassen. In diesem verdammten Land funktioniert immer noch alles wie ein Uhrwerk.»
    «Und wofür sind die hundert Mark? Dafür, dass ich den Mund halte?»
    «Klar. Aber nicht so,

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