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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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wie Sie denken. Wissen Sie, damit tue ich Ihnen einen Gefallen. Ihnen und allen in dieser Stadt. Wenn nämlich jemals herauskäme, dass jemand in Ihrem Garten eine Kiste mit Gold und Juwelen ausgegraben hat, dann, Gunther, hättet ihr alle hier ein Problem mit den Scharen von Schatzsuchern. Flüchtlinge, britische und amerikanische Soldaten, verzweifelte Deutsche, habgierige Russkis und so weiter. Deshalb wird die Sache informell gehandhabt. So einfach ist das.»
    «Gerede über einen Schatz könnte das Geschäft ankurbeln», sagte ich und ging wieder zum Empfangstresen. Das Geld lag noch da. «Es könnte eine Menge Leute anlocken.»
    «Und wenn sie nichts finden? Denken Sie doch mal nach. Das könnte sehr unangenehm werden. Habe ich alles schon erlebt.»
    Ich nickte. Ich kann nicht behaupten, dass ich nicht in Versuchung war, sein Geld zu nehmen. Aber ich wollte nun mal an nichts beteiligt sein, was mit dem Gold aus toter Leute Mund zu tun hatte. Also schob ich ihm die Scheine wieder hin. «Sie können gern hier graben», sagte ich. «Und mit allem, was Sie finden, können Sie machen, was Sie wollen. Aber es gefällt mir nicht, wie Ihr Geld riecht. Viel zu sehr wie ein Anteil an der Beute. Ich wollte damals nichts davon, und jetzt will ich erst recht nichts.»
    «Oho», sagte der Amerikaner. «Sieh einer an. Ein Kraut mit Prinzipien. Ich dachte, Adolf Hitler hätte euch alle umgebracht.»
    «Die Zimmer kosten drei Mark pro Nacht», sagte ich. «Jeweils. Im Voraus. Es ist reichlich heißes Wasser da, Tag und Nacht, aber wenn Sie mehr als ein Bier oder einen Kaffee wollen, geht das extra. Für Deutsche sind Lebensmittel immer noch rationiert.»
    «Geht in Ordnung», sagte er. «Falls es Sie interessiert, es tut mir leid. Ich habe mich in Ihnen getäuscht.»
    «Falls es Sie interessiert, mir tut es auch leid.» Ich goss mir noch etwas von seinem Whisky ein. «Jedes Mal, wenn ich auf diese Pappeln schaue, muss ich dran denken, was auf der anderen Seite passiert ist.»

2
    Der Mann im Wagen war mittelgroß und dunkelhaarig, mit abstehenden Ohren und dunkelgeränderten, zu Boden gerichteten Augen. Er trug einen dicken Tweedanzug und ein schlichtes weißes Hemd, aber keinen Schlips, zweifellos, damit er nicht in Versuchung kam, sich zu erhängen. Er sprach nicht mit mir und ich nicht mit ihm. Als er das Hotel betrat, schien sein Kopf zwischen den schmalen Schultern zu versinken, als ob – anders konnte ich es mir nicht erklären – schwere Scham auf ihm lastete. Aber vielleicht bildete ich mir das auch nur ein. Jedenfalls tat er mir leid. Wenn die Karten anders verteilt worden wären, hätte ich vielleicht selbst in dem Buick des Amerikaners gesessen.
    Und aus noch einem anderen Grund tat mir der Mann leid. Er wirkte fiebrig und krank. Kaum in der Verfassung, um in meinem Garten ein Loch zu graben. Ich wies den Amerikaner darauf hin, während er Gerätschaften aus dem riesigen Kofferraum des Buick holte.
    «Er sieht aus, als gehörte er ins Krankenhaus», sagte ich.
    «Da kommt er auch hin, wenn das hier erledigt ist», erwiderte der Amerikaner. «Wenn er die Kiste findet, kriegt er sein Penicillin.» Er zuckte die Achseln. «Ohne dieses Druckmittel er hätte gar nicht kooperiert.»
    «Ich dachte, ihr Amerikaner solltet euch an die Genfer Konvention halten», sagte ich.
    «Oh, das tun wir auch», sagte er. «Aber diese Leute sind keine normalen Soldaten, das sind Kriegsverbrecher. Manche haben Tausende von Menschen ermordet. Diese Kerle haben sich selbst außerhalb der Genfer Konvention gestellt.»
    Wir folgte Wolf in den Garten, wo der Amerikaner die Gerätschaften ins Gras warf und seinem Gefangenen befahl, sich an die Arbeit zu machen. Es war ein heißer Tag. Zu heiß, um irgendwo anders als in den eigenen Hosentaschen zu graben. Wolf lehnte sich erst mal an einen Baum, als versuchte er, sich zu orientieren, und seufzte dann. «Ich glaube, das ist die Stelle, genau hier», flüsterte er. «Könnte ich ein Glas Wasser haben?» Seine Hände zitterten, und auf seiner Stirn stand Schweiß.
    «Würden Sie ihm ein Glas Wasser holen, Gunther?», sagte der Amerikaner.
    Ich holte das Wasser, und als ich zurückkam, hielt Wolf schon eine Spitzhacke in der Hand. Er hieb sie in den Rasen und fiel fast vornüber. Ich fasste ihn am Ellbogen und stützte ihn. Der Amerikaner zündete sich ungerührt eine Zigarette an. «Lassen Sie sich Zeit, Wolf», sagte er. «Wir haben keine Eile, mein Freund. Deshalb dachte ich ja an zwei Nächte.

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