Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
In Anbetracht der Tatsache, dass er nicht gerade in Bestform für die Gartenarbeit ist.»
    «Dieser Mann ist nicht in der Verfassung für irgendeine Art von körperlicher Arbeit», sagte ich. «Schauen Sie ihn doch an. Er kann sich ja kaum auf den Beinen halten.»
    Der Amerikaner schnippte sein Streichholz in Wolfs Richtung und schnaubte verächtlich. «Meinen Sie, er hätte das je über irgendeinen Häftling in Dachau gesagt?», fragte er. «Den Teufel hat er getan. Wahrscheinlich hat er an Ort und Stelle per Kopfschuss jeden liquidiert, der umgefallen ist. Gar nicht mal so eine schlechte Idee. Würde mir die Mühe ersparen, ihn wieder ins Gefängniskrankenhaus zu bringen.»
    «Das ist aber doch nicht der Zweck der Übung, oder? Ich dachte, Sie wollten nur das, was hier vergraben ist.»
    «Sicher, aber ich werde nicht graben. Diese Schuhe sind von Florsheim.»
    Wütend nahm ich Wolf die Spitzhacke aus der Hand. «Wenn auch nur die entfernte Chance besteht, Sie vor heute Abend loszuwerden», sagte ich, «mache ich es selbst.» Und ich hieb die Spitzhacke ins Gras, als wäre es der Schädel des Amerikaners.
    «Es ist Ihre Beerdigung, Gunther.»
    «Nein, aber es wird seine sein, wenn ich das hier nicht mache.» Wieder schwang ich die Spitzhacke.
    «Danke, Kamerad», flüsterte Wolf. Er sank gegen den Baumstamm und schloss entkräftet die Augen.
    «Ihr Krauts.» Der Amerikaner lächelte. «Haltet zusammen, was?»
    «Das hat nichts damit zu tun, dass ich Deutscher bin», sagte ich. «Ich würde es wahrscheinlich für jeden tun, auch wenn ich ihn nicht sonderlich leiden kann. Sogar für Sie.»
    Ich arbeitete etwa eine Stunde mit der Spitzhacke und dann mit der Schaufel, bis ich in etwa einem Meter Tiefe auf Widerstand stieß. Es klang wie ein Sarg und fühlte sich auch so an. Blitzartig war der Amerikaner neben dem Loch und inspizierte den Grund. Ich grub weiter, hebelte schließlich eine Kiste von der Größe eines kleinen Koffers heraus und stellte sie zu seinen Füßen ins Gras. Sie war schwer. Als ich aufblickte, sah ich, dass er eine Achtunddreißiger in der Hand hielt. Eine stupsnasige Police Special.
    «Ist nicht persönlich gemeint», sagte er. «Aber wenn jemand einen Schatz ausgräbt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass er glaubt, er hätte einen Anteil verdient. Erst recht, wenn dieser Jemand so nobel war, hundert Mark zurückzuweisen.»
    «Jetzt, wo Sie’s sagen», sagte ich. «Die Vorstellung, Ihr Gesicht zu Brei zu schlagen, hat was Verlockendes.»
    Er wedelte auffordernd mit der Waffe. «Dann werfen Sie den Spaten doch sicherheitshalber weg.»
    Ich bückte mich, hob den Spaten auf und schmiss ihn ins Blumenbeet. Ich steckte die Hand in die Tasche, und als ich sah, wie ein Ruck durch seinen Körper ging, sagte ich lachend: «Bisschen nervös für einen harten Burschen, was?» Ich zog ein Päckchen Luckys heraus und zündete mir eine an. «Ich schätze mal, die Krauts, denen das Hartgesottene nicht gut bekommen ist, hatten es einfach am Magen. Oder Sie sind ein guter Märchenerzähler.»
    «Ich sage Ihnen, was Sie jetzt tun werden», sagte er. «Sie klettern aus diesem Loch, nehmen die Kiste und tragen sie zum Wagen.»
    «Sie und Ihre manikürten Fingerchen», sagte ich.
    «Genau», sagte er. «Ich und meine manikürten Fingerchen.»
    Ich kletterte aus dem Loch, musterte zuerst ihn und dann die Kiste. «Sie sind ein Dreckskerl, keine Frage», sagte ich. «Aber ich bin in meinem Leben schon vielen Dreckskerlen begegnet – richtig großen, größer als Sie –, also weiß ich, wovon ich rede. Es gibt eine Menge Gründe, einen Mann kaltblütig zu erschießen, aber dass er sich weigert, eine Kiste zu einem Auto zu tragen, gehört nicht dazu. Also werde ich jetzt ins Haus gehen, mich waschen und mir ein Bier nehmen, und Sie können zur Hölle fahren.»
    Ich kehrte ihm den Rücken und ging zum Haus. Er drückte nicht ab.
    Etwa fünf Minuten später schaute ich aus dem Badezimmerfenster und sah, wie Wolf die Kiste langsam zu dem Buick trug. Der Amerikaner hatte den Revolver immer noch in der Hand und sah mehrfach nervös zu den Hotelfenstern hinauf, als fürchtete er, ich hätte vielleicht ein Gewehr. Er öffnete den Kofferraum, und Wolf stellte die Kiste hinein. Dann stiegen sie beide ein und preschten davon. Ich ging nach unten, holte mir ein Bier aus der Bar und schloss dann die Eingangstür ab. In einem hatte der Ami recht gehabt. Ich war ein lausiger Hotelier. Und es war Zeit, dass ich daraus irgendwelche

Weitere Kostenlose Bücher