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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Eingangstür, als ob das Haus ihm gehörte, und ich nickte dem hutlosen, sonnengebräunten, bebrillten Mann höflich zu. Er hatte das Gesicht eines Schachgroßmeisters, der jeden möglichen Zug durchdacht hat, und wirkte überhaupt nicht so, als hätte er sich verfahren.
    «Sind Sie der Besitzer?», fragte er noch im Hereinkommen, ohne sich groß um eine passable deutsche Aussprache zu bemühen oder mich auch nur anzusehen. Während er auf eine Antwort wartete, betrachtete er die Dekoration, die eine heimelige Atmosphäre schaffen sollte, was aber wohl nur funktionierte, wenn man mit einer Milchmagd hier nächtigte. Da waren Kuhglocken, Spinnräder, Hanfhecheln, Rechen, Wetzsteine und ein Holzfass, auf dem eine zwei Tage alte Süddeutsche Zeitung und eine antike Ausgabe des Münchener Stadtanzeigers lagen. An den Wänden hingen Aquarelle mit ländlichen Szenen, noch aus Zeiten, da bessere Maler als Hitler nach Dachau gekommen waren. Es war alles miteinander so kitschig wie eine vergoldete Kuckucksuhr.
    «Könnte man sagen», sagte ich. «Jedenfalls, solange meine Frau verhindert ist. Sie ist im Krankenhaus. In München.»
    «Hoffentlich nichts Ernstes», sagte der Amerikaner, der mich noch immer keines Blickes würdigte. Die Aquarelle schienen ihn mehr zu interessieren als der Gesundheitszustand meiner Frau.
    «Ich nehme an, Sie suchen die amerikanischen Kasernen beim ehemaligen KZ», sagte ich. «Sie sind abgebogen, wo Sie einfach hätten geradeaus fahren müssen, über die Kanalbrücke. Es ist keine hundert Meter von hier. Gleich hinter den Bäumen da.»
    Jetzt sah er mich an, mit der Spiellust einer Katze. «Pappeln, richtig?» Er bückte sich leicht, um durchs Fenster in Richtung Lager zu schauen. «Ich wette, Sie sind froh über die Dinger. So merkt man doch kaum, dass da mal das Lager war, oder? Sehr nützlich.»
    Ich überhörte den impliziten Vorwurf und trat zu ihm ans Fenster. «Und ich dachte, Sie hätten sich verfahren.»
    «Nein, nein», sagte der Amerikaner. «Ich habe mich nicht verfahren. Ich wollte genau hierher. Falls das hier das Hotel Schröderbräu ist.»
    «Es ist das Hotel Schröderbräu.»
    «Dann sind wir richtig.» Der Amerikaner war etwa einssiebzig groß und hatte ziemlich kleine Hände und Füße. Hemd, Schlips, Hose und Schuhe waren in verschiedenen Brauntönen gehalten, aber sein Jackett war aus hellem Tweed und gut geschnitten. Die goldene Rolex sagte mir, dass er in seiner Garage zu Hause in Amerika wahrscheinlich etwas Besseres als den Buick stehen hatte. «Ich brauche zwei Zimmer, für zwei Nächte», sagte er. «Für mich und meinen Freund draußen im Wagen.»
    «Dieses Hotel ist leider nicht für Amerikaner zugelassen», sagte ich. «Ich könnte meine Lizenz verlieren.»
    «Ich werde es keinem sagen», sagte er.
    «Halten Sie mich bitte nicht für unhöflich», probierte ich mein autodidaktisch erlerntes Englisch aus. «Aber um ehrlich zu sein, wir sind kurz vor dem Zumachen. Das Hotel hier gehörte meinem verstorbenen Schwiegervater. Meine Frau und ich haben es weitergeführt, aber mit wenig Erfolg. Aus naheliegenden Gründen. Und jetzt, wo sie krank ist …» Ich zuckte die Achseln. «Wissen Sie, Sir, ich bin kein großer Koch, und Sie sehen mir aus wie jemand, der gewisse Ansprüche hat. Sie wären mit einem anderen Hotel besser bedient. Vielleicht mit dem Zieglerbräu oder dem Hörhammer drüben am anderen Ende der Stadt. Die sind beide für Amerikaner zugelassen. Und haben beide ausgezeichnete Restauration. Vor allem das Zieglerbräu.»
    «Darf ich daraus schließen, dass Sie hier im Moment keine anderen Gäste haben?», fragte er, ohne meine Einwände oder meine Englischbemühungen irgendeiner Reaktion zu würdigen. Seine deutsche Aussprache war zwar gleich null, aber seine Grammatik und sein Wortschatz ließen nichts zu wünschen übrig.
    «Richtig», sagte ich. «Das Haus ist leer. Wir stehen wie gesagt kurz vor der Schließung.»
    «Ich frage nur, weil Sie immer ‹wir› sagen», sagte er. «Ihr Schwiegervater ist tot und Ihre Frau, wie Sie sagen, im Krankenhaus. Aber Sie sprechen immer von ‹wir›. Als ob hier noch jemand wäre.»
    «Hoteliersgewohnheit», sagte ich. «Hier ist niemand außer mir und meinem untadeligen Service.»
    Der Amerikaner zog eine Halbliterflasche Roggenwhisky aus seiner Jacketttasche und präsentierte mir das Etikett. «Würde Ihr untadeliger Service eventuell auch zwei saubere Gläser beinhalten?»
    «Zwei Gläser? Natürlich.» Ich konnte

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