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Das Janusprojekt

Das Janusprojekt

Titel: Das Janusprojekt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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niemals ergeben. Nie und nimmer. Das war es doch, was die SS ausmachte, oder nicht? Meine Ehre heißt Treue, richtig? Nicht Selbsterhaltung.» Er zog an seiner Zigarette. «Aschenauer sagt, Sie waren selbst bei der SS. Dann verstehen Sie ja sicher, wovon ich rede.»
    Ich sah nervös zu unserem amerikanischen Bewacher hinüber. Vor einem MP wollte ich nicht gerade über meine SS-Vergangenheit reden. «Das möchte ich so nicht sagen», sagte ich.
    «Vor ihm können Sie frei reden», sagte Gebauer. «Er versteht kein Wort Deutsch. Kaum einer von den Amis hier drinnen kann Deutsch. Selbst die Offiziere sind zu faul, es zu lernen. Ab und zu gerät man mal an einen Geheimdienstoffizier, der Deutsch spricht. Aber die meisten sehen nicht ein, wozu das gut sein sollte.»
    «Ich glaube, sie haben das Gefühl, unsere Sprache zu lernen, würde ihren Sieg herabwürdigen.»
    «Ja, das kann sein», sagte Gebauer. «In dieser Hinsicht sind sie noch schlimmer als die Franzosen. Aber mein Englisch wird immer besser.»
    «Meins auch», sagte ich. «Ist wirklich so eine Art Bastardsprache, was?»
    «Kein Wunder bei der Vermischung, die dort stattgefunden hat», sagte er. «Ich habe noch nie ein Volk gesehen, das aus so vielen Rassen besteht.» Er schüttelte den Kopf. «Die Amis sind schon komisch. Teilweise wirklich bewundernswert. Aber manchmal auch strohdumm. Nehmen Sie nur mal diesen Ort hier. Landsberg. Uns ausgerechnet hierherzustecken. Wo der Führer sein großes Werk geschrieben hat. Es ist doch keiner unter uns, der daraus nicht einen gewissen Trost zieht. Ich selbst war vor dem Krieg hier, um seine Zelle anzuschauen. Jetzt haben sie natürlich das Bronzeschild von der Zellentür entfernt. Aber wir wissen alle genau, wo die Zelle ist. So wie ein Moslem weiß, wo Mekka liegt. Es hält uns aufrecht, hilft uns, den Mut nicht sinken zu lassen.»
    «Ich war an der Ostfront», sagte ich. Ich wollte ihm jetzt ein paar Referenzen präsentieren. Was ich wohl besser nicht ansprach, war meine Zeit bei der Wehrmacht-Untersuchungsstelle für Verletzungen des Völkerrechts. Wo wir deutsche Gräueltaten ebenso untersucht hatten wie russische. «Ich war Nachrichtenoffizier bei General Schorners Armee. Aber vor dem Krieg war ich Polizist, im Präsidium am Alex.»
    «Das kenne ich gut», sagte er lächelnd. «Ich war vor dem Krieg Anwalt in Wilmersdorf. War ab und zu am Alex, um mit irgendeinem Ganoven zu sprechen. Ach, wie gern wäre ich jetzt wieder dort.»
    «Bevor Sie zur Waffen-SS kamen», sagte ich, «waren Sie Offizier in einem Arbeitslager. Lemberg-Janowska.»
    «Das ist richtig», sagte er. «Bei den DAW. Den Deutschen Ausrüstungswerken.»
    «Zu Ihrer Zeit dort würde ich Ihnen gern ein paar Fragen stellen.»
    Er verzog angewidert das Gesicht. «Es war ein Zwangsarbeiterlager, das um drei Fabriken in Lwow herum errichtet worden war. Seinen Namen hatte es von der Adresse der Werke: Janowska-Straße 133. Ich kam im Mai 1942 dorthin, um das Kommando über die Werke zu übernehmen. Für das Wohnlager, wo die Juden untergebracht waren, war glücklicherweise jemand anders verantwortlich. Und ich glaube, dort ging es wirklich übel zu. Aber ich war nur für die Fabriken zuständig. Das führte gelegentlich zu Spannungen zwischen mir und dem anderen Kommandanten, wenn es darum ging, wer nun wirklich das Sagen hatte. Streng genommen, hätte ich es sein müssen. Ich war damals Obersturmführer, der andere nur Untersturmführer. Aber zufällig war sein Onkel Generalleutnant Friedrich Katzmann, der Polizeiführer von Galizien, ein sehr einflussreicher Mann. Darum bin ich aus Janowska weggegangen. Wilhaus – so hieß der andere Kommandant – hasste mich. Reine Rivalität, nehme ich an. Er wollte die alleinige Kontrolle. Und hätte alles getan, um mich loszuwerden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er etwas unternommen hätte. Mir irgendetwas untergeschoben hätte, was ich nie getan hatte. Also beschloss ich zu gehen, solange es noch möglich war. Mich hielt dort nichts. Das war auch ein Grund. Es war ein grässlicher Ort. Absolut grässlich. Und ich hatte nicht das Gefühl, dass ich dort noch irgendeinen ehrenvollen Dienst tun konnte. Also bewarb ich mich zur Waffen-SS, und den Rest kennen Sie ja.» Er bediente sich abermals aus meinem Zigarettenpäckchen.
    «Es gab dort im Lager einen Offizier», sagte ich, «einen Friedrich Warzok. Sie erinnern sich?»
    «Ja, an Warzok erinnere ich mich», sagte er. «Er war Wilhaus’ Mann.»
    «Ich bin

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