Das Janusprojekt
Amerikaner das Landsberger Gefängnis zum Kriegsverbrechergefängnis Nummer eins erklärt, und es war nach Spandau die wichtigste Strafanstalt Deutschlands, mit über tausend in Dachau verurteilten Kriegsverbrechern, über hundert, die von den Nürnberger Prozessen herkamen, und über einem Dutzend, die in Schanghai im Zuge der Prozesse gegen japanische Kriegsgefangene für schuldig befunden worden waren. Vor ein paar Jahren waren mehr als zweihundert Kriegsverbrecher in Landsberg gehängt und viele von ihnen auf dem nahegelegenen Friedhof von Spöttingen begraben worden.
Es war nicht leicht, in das Gefängnis hineinzukommen, um mit Fritz Gebauer zu reden. Ich hatte Erich Kaufmann anrufen und ziemlich zu Kreuze kriechen müssen, damit er mit Gebauers Anwälten sprach und sie davon überzeugte, dass man mir vertrauen konnte.
«Oh, ich denke doch, wir können uns auf Sie verlassen, Herr Gunther», hatte Kaufmann gesagt. «Sie haben für den Baron von Starnberg hervorragende Arbeit geleistet.»
«Für das Wenige, was ich getan habe, bin ich bezahlt worden», sagte ich. «Und zwar ziemlich ordentlich.»
«Sie können durchaus eine gewisse Befriedigung aus einem guterledigten Auftrag ziehen, was?»
«Manchmal schon», sagte ich. «Aber in diesem Fall nicht allzu viel. Nicht so viel wie aus der Arbeit damals für Sie.»
«Als Sie die Unglaubwürdigkeit dieses Gefreiten Ivanov nachgewiesen haben? Ich hätte gedacht, wo Sie doch selbst mal bei der SS waren, würde Ihnen daran liegen, Ihre alten Kameraden wieder in Freiheit zu sehen.»
Das war das Stichwort, auf das ich gewartet hatte. «Stimmt», sagte ich und ging daran, die Vorlesung, die er mir in seiner Kanzlei gehalten hatte, zurechtzurücken. «Ich war bei der SS. Aber das heißt nicht, dass mir nicht an Gerechtigkeit läge, Herr Doktor. Männer, die Frauen und Kinder ermordet haben, verdienen es, im Gefängnis zu sitzen. Die Leute müssen wissen, dass Unrecht bestraft wird. Das ist meine Vorstellung von einem gesunden Deutschland.»
«Eine Menge Leute würde sagen, dass viele dieser Männer nur Soldaten waren, die nichts als ihre Pflicht taten, Herr Gunther.»
«Ich weiß. Ich bin da abnormal. Ein Querkopf.»
«Klingt ungesund.»
«Mag sein», sagte ich. «Andererseits kann man jemanden wie mich leicht ignorieren. Selbst wenn er recht hat. Aber einen Bischof Neuhäusler kann man nicht so leicht ignorieren. Selbst wenn er unrecht hat. Können Sie sich vorstellen, wie es mich in meinem professionellen Stolz gekränkt hat, in der Zeitung lesen zu müssen, was er über die Behandlung der Rotjacken verbreitet? Als ob ihm niemand gesagt hätte, dass dieser Ivanov ein mieser Gauner auf einem privaten Rachefeldzug ist.»
«Neuhäusler ist eine Kreatur, die wesentlich weniger Skrupel hat als ich, Herr Gunther», sagte Kaufmann. «Ich hoffe, Sie anerkennen, dass ich damit nichts zu tun habe.»
«Ich tue mein Bestes.»
«Das sind Leute wie etwa Rudolf Aschenauer.»
Diesen Namen kannte ich. Aschenauer war der Nürnberger Anwalt, der fast siebenhundert Landsberg-Häftlinge vertrat, so auch den berüchtigten Otto Ohlendorf und Mitglieder der rechtsextremen Deutschen Partei.
«Allerdings», sagte Kaufmann, «werde ich mit Aschenauer sprechen müssen, um Sie ins Landsberger Gefängnis hineinzukriegen. Er ist nämlich auch Gebauers Anwalt. Er war der Verteidiger sämtlicher Angeklagter in Zusammenhang mit dem Malmedy-Massaker.»
«Gebauer ist einer von denen?»
«Deshalb wollen wir ja nicht, dass er noch länger in einem amerikanischen Gefängnis sitzen muss», sagte Kaufmann. «Sie können sich sicher vorstellen, warum.»
«Ja», sagte ich. «In diesem konkreten Fall kann ich das wohl.»
Ich parkte meinen Wagen und ging zu Fuß die Esplanade zum Torhaus der Festung hinauf, wo ich dem schwarzen GI meine Papiere und ein Schreiben von Aschenauers Kanzlei vorlegte. Während ich darauf wartete, dass er meinen Namen auf dem Klemmbrett mit den für diesen Tag zugelassenen Besuchern fand, lächelte ich freundlich und probierte mein Englisch aus.
«It is a nice day, yes?»
«Fuck off, kraut.»
Ich lächelte weiter. Ich war mir nicht sicher, was er gesagt hatte, aber seiner Miene entnahm ich, dass er nicht zu Freundlichkeiten aufgelegt war. Als er mich auf der Liste gefunden hatte, warf er mir meine Papiere wieder hin und zeigte auf ein weißes, vierstöckiges Gebäude mit einem roten Mansardendach. Von weitem sah es fast wie eine Schule aus. Von nahem allerdings war
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