Das Jesus Sakrileg 2
Der Gedanke, dass er dies als Tarnung genutzt haben könnte, da er dem Orden der Priores angehörte, lässt die Nackenhaare eines jeden seriösen Wissenschaftlers in die Höhe gehen. Oder nehmen Sie den Klassiker schlechthin. Die Merowinger. Sagt Ihnen der Name etwas?“
„Ich muss gestehen, nein. Sollte er?“, fragte Nick.
„Nun, als Christ schon. Denn angeblich sind die Merowinger direkte Nachfahren Jesus Christus.“
„Wie muss ich das verstehen?“, fragte Nick und bereute es im nächsten Augenblick schon. Er wollte wissen, was es mit diesem Tagebuch auf sich hatte. Die Lehrstunde drumherum interessierte ihn nicht.
Doch stattdessen fing Andreas an, über die Legende der Merowinger zu berichten. Darüber, dass Maria Magdalena und ihr Kind nach Frankreich flohen und welche Folgen dies hatte.
„… verstehen Sie, daher ist das Königsgeschlecht der Merowinger angeblich mit Jesus verwandt. Damals war dieses Gerücht eine Sensation. Eine Sensation, die sich bis heute hartnäckig hält. Stellen Sie sich nun vor, jemand würde beweisen, dass dies nicht stimmt. Oder gehen wir noch einen Schritt weiter. Stellen Sie sich vor, jemand würde beweisen, dass Maria nie schwanger war. Was denken Sie, wie unsere Herren Dan Brown und Co. dumm aus der Wäsche schauen würden? Man bedenke nur die leidigen Interpretationen Leonardo da Vincis Abendmahlfreskos. Geradezu lächerlich. Es wäre dann ein für alle Mal Schluss mit dieser ganzen Scharlatanerie.“
Nick versuchte Andreas zu folgen, auch wenn er das meiste nicht verstand. Allerdings konnte er sich nicht dagegen erwehren, dass das Thema ihn nicht wirklich interessierte. Er war nun einmal kein wirklich gläubiger Mensch. Und die Menschen, die nach Verschwörungen oder irgendwelchen obskuren Geschichten lechzten, da sie in jeder Tat des Vatikans Verschleierung und Machtmissbrauch sahen, für diese Leute hatte Nick noch nie etwas übrig gehabt.
Wieso konnten sie nicht einfach akzeptieren, dass, streng genommen, die Religion ein Wirtschaftsgut war und der Vatikan somit ein Konzern, welcher bestrebt war, möglichst den höchsten Nutzen aus seinem Produkt, dem Glauben, zu ziehen?
Klang banal, aber streng genommen war dies die einzige Wahrheit hinter jeder Religion dieser Welt, dachte Nick.
Und hätte es die Begegnung mit Esther nicht gegeben, hätte Nick sich auch niemals freiwillig mit jemandem wie Andreas abgegeben.
Und natürlich gab es da auch noch Rebecca. Auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte, aber dieses Buch, welches in greifbarer Nähe war, weckte in ihm doch die verdrängten Gefühle für Rebecca.
Und da Nick befürchtete, dass Andreas noch lange von seinen Vermutungen und seinem Halbwissen erzählen würde oder gar von seiner Webseite, musste Nick auf Risiko gehen, um möglichst schnell zu seinem eigentlichen Anliegen zu kommen.
„Ich muss Ihnen gestehen, ich bin schwer beeindruckt. Ich kenne mich zwar nicht mit der Materie aus, aber Sie verstehen es gut, einem dieses Thema zu vermitteln. Dennoch bin ich jetzt natürlich gespannt, wie Sie denn denken, all diese Halbwahrheiten widerlegen zu wollen. Denn wenn ich mich recht erinnere, haben Sie gesagt, dass es keine Zeitdokumente über die Zeit Jesus gibt?“
„Das stimmt auch, bis jetzt.“
„Bis jetzt, was meinen Sie damit?“, fragte Nick.
Andreas schaute Nick an und Nick spürte, dass er diesen Moment der Überlegenheit genoss. Andreas tat einen verschwörerischen Blick zur Seite und nach vorne, als wolle er sicher gehen, dass niemand zuhört und beugte sich ein wenig zu Nick rüber.
„Was würden Sie sagen, wenn es doch ein Zeitdokument über die Zeit Jesus gibt, Nick?“
„Sie wollen doch nicht sagen, dass Sie …“, kam schwer von Nicks Lippen.
„Aber ja doch! Ich bin im Besitz eines Original-Zeitdokumentes. Dieses Buch hier ist nicht irgendein Buch. Dieses Buch berichtet über das Leben Jesus.“
Nick sah, wie Andreas´ Augen glänzten, so, als würde ein Kind zu Weihnachten das von ihm gewünschte Geschenk bekommen. Nick konnte sich nicht erwehren, aber sein Mund wurde trocken und er begann zu schwitzen.
Konnte dies wirklich sein ?, dachte er. Andreas zeigte das Buch voller Stolz Nick. Nick warf einen Blick darauf.
„Aber es sieht nicht alt aus.“
„Das stimmt. Aber glauben Sie mir, dieses Buch ist echt.“
Ein Tagebuch, welches von Jesus handelt, in den Händen von Esther. Jetzt verstand er, warum Menschen bereit waren, für dieses Buch zu töten. Es musste echt sein.
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