Das Jesus Sakrileg 2
Aber warum war es in Esthers Besitz?
„Wer hat dieses Tagebuch geschrieben?“
„Sie werden es nicht glauben, aber es ist das Buch Maria Magdalenas, Jesus engster Vertrauten. Und mit diesem Buch werden auch die Gerüchte verstummen, dass sie eine Hure ist. Sie war eine sehr angesehene junge Frau, die sich in Jesus verliebte. Und über diese ausweglose Liebe schreibt sie in diesem Buch. Mit jeder Seite, die ich lese, bekomme ich eine Gänsehaut.“
„Also stimmte es doch, dass sie ein Liebespaar waren“, sagte Nick und verschiedene Gedanken gingen durch seinen Kopf. Gedanken, über die er sich vor nicht allzu langer Zeit lustig macht hätte. Er, der zwar Christ war, aber nicht wirklich an Gott oder die Bibel glaubte, hatte in den letzten Tagen, auch wenn er es sich nicht eingestand, einen langsamen Wandel erlebt. Ein Wandel, der ihm Respekt gegenüber dem Glauben abverlangte.
Ein Wandel, der aber auch durch die Liebe beeinflusst wurde. Die Liebe zu einer Frau, die er nie für sich haben würde. Sein Lachen darüber, dass es Liebe auf den ersten Blick nicht geben könne, dieses Lachen empfand er nun als Schmerz und als Ohrfeige.
Ja, es gab sie, die Liebe auf den ersten Blick und sie war in der Lage, Dinge zu vollbringen, die kein Mensch für möglich halten könnte.
Und jetzt, da er wusste, um welches Buch es sich handelte, war er ratloser und irritierter denn je. Wenn Andreas Recht hatte und dieses Buch wirklich echt war, dann verstand er, warum es Menschen gab, die für dieses Buch sogar töten würden. Das Buch war das wahre Evangelium. Wenn nicht ein Evangelium, so doch die erste Quelle, die über Jesus schrieb, zu der Zeit, als er lebte. Und alle Welt wusste, wie nahe Maria Jesus gestanden hatte. Aber nun würde man die Fakten dazu kennen. Dieses Tagebuch müsste einen unschätzbaren Wert haben. Aber, wenn dieses Tagebuch echt war, was suchte es dann bei Esther ?, fragte er sich erneut.
Wie kam sie an dieses Tagebuch? Und wusste sie, dass es von solch unschätzbarem Wert war?
Wenn ja, wie konnte sie die Gefahr auf sich nehmen und das Buch bei sich verwahren, das war doch Wahnsinn.
Es sei denn … Nick musste schlucken und er bekam eine Gänsehaut bei diesem Gedanken, aber es war möglich. Esther hatte ihm gesagt, sie sei Armenierin. Auch Jesus war Armenier oder war er Aramäer? War das nicht dasselbe? Nick kannte den Unterschied nicht, dachte aber auch nicht mehr darüber nach.
Und nie war Nick einem Menschen begegnet, der so selbstlos, gutmütig und hilfsbereit war, wie Esther. Einem Menschen, dem man gerne zuhörte, den man gerne um sich wusste. Einem Mensch, dem man sofort vertraute.
Was, wenn nun Esther ein Nachkomme Jesus war? Oh mein Gott, dachte Nick. Dann wäre auch Rebecca ein Nachkomme Jesus.
Kein Wunder, dass sie mich nicht will, waren seine weiteren Gedanken.
Das hieße, dass die Gerüchte, dass Jesus ein Kind hatte, wahr wären. Vernünftig betrachtet, wieso hätten sie nicht wahr sein sollen? Jesus mochte ein Wanderprediger gewesen sein, vielleicht mochte er auch Wunder vollbracht haben, aber wenn er nun doch ein Mensch aus Fleisch und Blut war, warum also sollte er nicht mit Maria ein Kind gehabt haben? Vielleicht sogar mehrere. Das war damals nichts Ungewöhnliches.
Nick musste an das Gerücht denken, dass die Merowinger Nachkommen Jesus waren. Aber wenn dem so war, was hatte Esther in Jerusalem zu suchen? Was, wenn Maria Magdalena Israel nie verlassen hatte?
Dann wären die Merowinger auch nie Jesus Nachkommen gewesen.
Aber warum hatte sie ein einfaches Leben bevorzugt? Sie hätte doch mit der Veröffentlichung ihrer Herkunft das Leben einer Königin führen können!
Lag es vielleicht daran, dass vor vielen hunderten von Jahren die Gefahr der Verfolgung durch die katholische Kirche zu groß war? Das mochte gut sein, dachte Nick, aber heute im 21. Jahrhundert, weit weg von der Inquisition, welchen Grund konnte es geben, nicht seine wahre Identität preiszugeben? Wenn das bewiesen werden könnte, wäre sie sicherlich sehr schnell eine sehr reiche Frau.
Nick hätte sicherlich mit solch einer Herkunft geprahlt. Nick musste an Esther denken.
So langsam begriff er.
Vielleicht waren es genau diese einfachen Dinge, die sie zu dem machten, der sie war. Ein Nachkomme Jesus.
„Es ist schon aberwitzig, dabei gibt es diese Freiheit bereits schon bei unserer Geburt als Geschenk. Doch wir sehen sie nicht. Der Kapitalismus hat uns blind gemacht“, sagte Nick zu sich selber.
Und Esther,
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