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Das Jesusfragment

Das Jesusfragment

Titel: Das Jesusfragment Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Loevenbruck
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Luxusrestaurants ausgibt, weil er nicht weiß, was er mit den Nullen am Ende seiner Honorarschecks anfangen soll. Am Tag, als Maureen mich verließ, begriff ich, dass Amerika aus mir den schlimmsten aller Amerikaner gemacht hatte. Schon vor langer Zeit hatte ich Grenzen überschritten, die zu überschreiten sich nicht lohnte. Wenn einem eine zweitklassige Schauspielerin, die mehr Zeit damit verbringt, sich die Nase zu pudern als auf der Bühne zu stehen, den Laufpass gibt, kehrt man schnell auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich habe seitdem nie wieder Koks angerührt. Niemand kann es mehr hassen als derjenige, der es einst leidenschaftlich liebte. Doch die Trennung von Maureen hatte mich wieder auf den rechten Pfad des Lebens zurückgeführt. Ein trostloser und einsamer Pfad zwar, auf dem ich jedoch versuchte, niemandem mehr wehzutun, in erster Linie nicht mir selbst.
    Frankreich war für mich keine schöne Erinnerung, mein Vater kaum mehr als ein Albtraum und Paris nur noch der Eiffelturm auf einer Postkarte. Meine Vergangenheit lag so weit zurück, dass ich es geradezu exotisch fand, wenn die Kellner in den Restaurants von Greenwich Village mich in ihrem schlechten Französisch mit ›Monsieur‹ ansprachen.
    »Wie ist es passiert?«, stammelte ich schließlich in den Hörer, da mir nichts Besseres einfiel.
    »Ein Autounfall, ein sinnloser Autounfall, mein Gott. Könnten Sie nach Paris kommen?«
    Nach Paris kommen. Plötzlich wurde die Vorstellung, dass mein Vater tot war, konkreter. Mein Leben wurde in diesem Moment so stark von dem unerwarteten Tod meines Vaters beeinflusst, dass ich buchstäblich fühlen konnte, wie die Sekunden verstrichen. In Augenblicken wie diesem glaubt man, das mechanische Ticken einer riesigen, fiktiven Uhr zu hören. In solchen Augenblicken der Stille, die auf dramatische Ereignisse folgen, weiß ich genau, was es bedeutet, am Leben zu sein. Ich gehöre zu den Menschen, die während der Golfkriege oder des Angriffs auf das World Trade Center stundenlang vor dem Fernseher saßen, CNN eingeschaltet hatten und die neuesten Meldungen gierig aufsogen, weil sie das Gefühl haben, mit der Zeitgeschichte verbunden zu sein, jede Sekunde eines Übergangs mitzuerleben. Man möchte an diesem Massengefühl teilhaben, um sich lebendig zu fühlen. Auch jetzt, als ich den Hörer genauso stumm in der Hand hielt, wie ich einst die Bilder der beiden einstürzenden Türme anschaute, fühlte ich mich lebendig. Und doch hatte ich mich schon lange nicht mehr um das Schicksal des Mannes geschert, der mich gezeugt hatte.
    »Ich … ich weiß nicht. Ist es unbedingt nötig, dass ich nach Paris komme?«
    Ich stellte mir das erstaunte Gesicht des Notars auf der anderen Seite des Atlantiks vor.
    »Nun gut«, begann er langsam, »die Erbschaftsangelegenheit muss geregelt werden, und dann das Begräbnis, wie soll ich sagen … Sie sind der einzige Angehörige, aber wenn Ihnen die Reise wirklich zu beschwerlich ist, können wir versuchen, alles telefonisch zu besprechen.«
    Am liebsten hätte ich Ja gesagt. Dem halsstarrigen Alten zum letzten Mal eine lange Nase gemacht. Schließlich hatte er in den letzten elf Jahren auch nie versucht, Verbindung mit mir aufzunehmen. Aber etwas trieb mich nach Frankreich. Vielleicht die Sehnsucht nach Veränderung, oder der Wunsch, wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Obwohl mich New York seit elf Jahren wie ein Kokon einhüllte, war irgendetwas an meiner Liebe zu diesem verrückten Land zerbrochen. Es fiel mir schwer, weiterhin den Amerikaner zu spielen. Im Grunde kam mir der Tod meines Vaters gelegen. Er bot mir eine willkommene Ausrede, um wieder nach Frankreich zu reisen.
    »Ich werde versuchen, morgen einen Flieger zu bekommen«, stieß ich schließlich seufzend hervor.
    Nachdem ich am nächsten Tag eher schlecht als recht alle Einzelheiten mit meinem aufgelösten Agenten geregelt hatte, startete ich um 14:28 Uhr vom Kennedy Airport aus in Richtung Paris und ließ die verkrüppelte Skyline des Königreichs des Kabelfernsehens hinter mir.
    *
    Ich war mir bald sicher, dass es Freude war, die ich bei dem Gedanken empfand, nach Paris zurückzukehren. Oder New York hinter mir zu lassen. Mein Leben in den Vereinigten Staaten war kompliziert geworden. Faszinierend und erschreckend zugleich. Wie die meisten Einwohner Manhattans unterhielt ich zu der Stadt, die niemals schläft, eine Beziehung, in der Liebe und Hass sich abwechselten. Ein wenig Abstand würde mir gut tun.
    Im

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