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Die Kreuzfahrerin

Die Kreuzfahrerin

Titel: Die Kreuzfahrerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Nowicki
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Norditalien,
Anfang Dezember 1095
    Die Gruppe bewegte sich ohne Hast. In ihren ledernen Umhängen, die sie vor der Unbill des Wetters schützen sollten, verschmolzen die Reiter mit ihren Pferden. Der Regen war stärker geworden, und Mensch wie Tier ließen die Köpfe hängen. Ein ums andere Mal verloren die Hufe auf dem aufgeweichten, schlammigen Untergrund den Halt. Die Reise war alles andere als ein Vergnügen.
    Andromikos hing seinen Gedanken nach. Er freute sich auf zu Hause. In Konstantinopel war es selbst bei schlechtem Wetter schöner als hier. Doch bis dorthin war es noch eine lange Reise. Die Gedanken an ihr Ende hellten die Gesichtszüge des Griechen auf. Der Basileus, Kaiser Alexios, erwartete sicherlich bereits voller Ungeduld seinen Botschafter, und das, was Andromikos ihm zu berichten hatte, würde den Herrscher zufriedenstimmen.
    Andromikos dachte zurück. Das Reich hatte im Osten an Macht verloren. Die Turkmenen hatten sich zusammen mit anderen Stämmen gegen Byzanz gestellt und waren bis Nikaia vorgedrungen. Die Streitkräfte Alexios’ waren dem Ansturm der Steppenkrieger nicht gewachsen. Von Westen her hatten Normannen das Reich bedrängt, konnten aber zurückgeschlagen werden. In diese vertrackte Situation hinein kam die Nachricht, dass der neue Papst, Urban II., bereit sei, die Trennung zwischen Rom und Byzanz zu überwinden. Der Basileus hatte aus Rom die Nachricht erhalten, auf einem bevorstehenden Konzil werde das Schisma gegen die Kirche des Ostreichs aufgehoben. Wenn der Papst die Trennung aufhob, könnte er auch bereit sein, dem bedrängten Byzanz zu helfen. Andromikos wurde als Führer einer Delegation eingesetzt, und der Kaiser selbst überreichte ihm ein Schreiben, das er niemand anderes geben sollte als Papst Urban. So hatten sie sich als Handelsleute getarnt auf den Weg gemacht: von Konstantinopel mit dem Schiff bis an die Küste des von Normannen beherrschten Landes südlich von Rom, dann weiter auf Pferden, nach Norden.
    Rom. Ein spöttisches Grinsen glitt über Andromikos’ Gesicht. Rom war eine einzige Enttäuschung. Die Stadt war groß, und bestaunenswerte Bauwerke befanden sich innerhalb ihrer Mauern, aber den Glanz und die Ausstrahlung einer mächtigen Metropole besaß die Stadt nicht. Große Teile der Vorstädte und auch Quartiere innerhalb der Mauern waren durch Krieg und Belagerung zerstört. Wie Andromikos erfahren hatte, war Rom vom römisch-deutschen König Heinrich, der den Papst zwingen wollte, ihn zum Kaiser zu krönen, angegriffen worden, und die zur Hilfe gerufenen Krieger der Normannen hatten ihn nicht nur in die Flucht geschlagen, sondern sich auch noch der Stadt bemächtigt. Man konnte sich nur schwer vorstellen, dass dies einst die Stadt gewesen war, von der aus die ganze Welt beherrscht wurde. Im Vergleich zu Konstantinopel war Rom ein Drecksloch. Ohne seinen Auftrag hätte Andromikos auf der Stelle kehrtgemacht. Als sie endlich an der Engelsburg jemanden fanden, der sie hätte melden können, hieß es, der Papst sei gar nicht in Rom. Die Gesandten Konstantinopels mussten ihm hinterherreisen, nach Piacenza. Dort angekommen stießen sie zuerst auf Ablehnung, nur der Papst, nachdem er das Schreiben Alexios’ studiert hatte, zeigte Interesse. Und das Konzil verlief sehr vielversprechend. Papst Urban konnte sich mit seinem Wunsch nach Einigkeit aller, die an Christus glauben, durchsetzen, und die Bitte des Basileus, Rom möge Byzanz gegen die muslimischen Turkmenen und Seldschuken helfen, wurde nicht abgeschmettert. Eigentlich war der Auftrag damit erfolgreich abgeschlossen, doch Andromikos wollte nicht mit vagen Versprechungen und Konzilsbeschlüssen zurückkehren. In mehreren Unterredungen mit dem Papst unterstrich Andromikos den Willen seines Herrschers zur religiösen Einheit. Gleichzeitig schilderte er aber auch die große Gefahr, die von den Muslimen ausging. Das Ergebnis war vielversprechend: Papst Urban rief zu einem Concilium generale auf. Andromikos erinnerte sich, wie er davon Nachricht erhielt und nur wenige Stunden später ein Bote bei ihm vorsprach. Papst Urban wollte eine Unterredung. Andromikos war in die Gemächer des Pontifex geleitet worden, und unter vier Augen sagte das oberste Kirchenhaupt dem Botschafter zu, dass er eine Armee ausheben werde, die nach Konstantinopel gesendet werden sollte. Doch dazu müsse er selbst mit einer ganzen Reihe von Fürsten des Frankenlandes sprechen und Vorkehrungen treffen. Das angekündigte Konzil solle im

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