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Dein bis in den Tod

Dein bis in den Tod

Titel: Dein bis in den Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gunnar Staalesen
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    Vielleicht tat ich es, weil er der jüngste Klient war, der je zu mir gekommen war. Vielleicht, weil er mich an einen anderen Jungen an einem anderen Ende der Stadt erinnerte. Oder vielleicht nur, weil ich nichts anderes zu tun hatte. Auf jeden Fall hörte ich mir an, was er zu sagen hatte.
    Es war einer der letzten Tage im Februar. Ein warmer Föhn hatte das Thermometer um zwanzig Grad hoch schnellen lassen (von minus acht auf plus zwölf), und der Regen eines Tags und einer Nacht hatte den Schnee fortgespült, der seit drei, vier Wochen die Berge im Stadtgebiet zu einem Paradies und das Zentrum zu einer unpassierbaren Hölle gemacht hatte. Jetzt war es vorbei. Der Frühling blies seinen Atem über die Stadt, und die Menschen trieben mit neuer Energie die Straßen entlang, Zielen entgegen, von denen sie noch nichts wussten, die sie nur ahnten.
    An einem Tag wie diesem machte mein Büro einen besonders verwaisten Eindruck. Der viereckige Raum mit dem großen Schreibtisch, auf dem nichts war außer einem Telefon und den Aktenschränken, in denen vor allem Luft war, wirkte wie ein abgeteilter kleiner Winkel des Universums. Ein Ort, an dem man vergessene Seelen ablegt, Menschen mit Namen, an die sich niemand mehr erinnert. Den ganzen Tag über hatte ich nur einen Anruf entgegengenommen. Eine ältere Dame wollte, dass ich ihren Pudel wieder finde. Ich antwortete ihr, ich sei allergisch gegen Hunde, vor allem Pudel. Sie schnaubte verärgert und knallte den Hörer auf. So bin ich: Ich verkaufe mich teuer.
    Es war fast drei, als plötzlich draußen die Wartezimmertür ging. Ich saß da und döste vor mich hin und schrak bei dem Geräusch zusammen. Ich schwang die Beine vom Tisch, stand auf, trat zur Zwischentür und öffnete sie.
    Mitten im Raum stand ein Junge von etwa acht oder neun Jahren und blickte fragend um sich. Er trug eine verschlissene blaue Daunenjacke und Jeans mit Flicken auf den Knien. Als ich auftauchte, riss er sich seine graue Strickmütze vom Kopf. Das Haar darunter war lang und glatt und fast weiß. Er hatte große, blaue Augen und einen halb offenen, ängstlichen Mund, um den die ganze Zeit ein Weinen auf der Lauer lag.
    Ich sagte: »Hallo.«
    Er schluckte schwer und sah mich an.
    Ich sagte: »Wenn du zum Zahnarzt willst, das ist die Tür nebenan.«
    Er schüttelte den Kopf. »Ich will zu …«, begann er und nickte zur Tür hin. Auf der geriffelten Glasscheibe stand, seitenverkehrt, dass hier der Privatdetektiv V. Veum sein Büro hatte.
    Er blickte mich verlegen an. »Bist du wirklich ein richtiger … Detektiv?«
    Ich lächelte. »Was heißt schon richtig. Komm herein und setz dich.«
    Wir gingen ins Büro. Ich setzte mich hinter den Schreibtisch und er sich auf den einzigen, abgewetzten Kundenstuhl. Er sah sich um. Ich weiß nicht, was er erwartet hatte, auf jeden Fall wirkte er enttäuscht. Damit war er nicht der Erste. Wenn ich eins wirklich gut hinbekomme, dann das: Menschen zu enttäuschen.
    Er sagte: »Ich habe dich im Telefonbuch gefunden. Unter Detekteien.«
    Das letzte Wort sprach er langsam und umständlich aus, als habe er es selbst erfunden.
    Ich sah ihn an. In ein paar Jahren würde Thomas in seinem Alter sein. Dann würde er mich am gleichen Ort finden können: im Telefonbuch. Wenn er wollte.
    »Und wozu brauchst du meine Hilfe?«, fragte ich.
    »Mein Fahrrad«, sagte er.
    Ich nickte und wiederholte: »Dein Fahrrad.« Ich sah aus dem Fenster und blickte über die Bucht. Da drüben stand die Autoschlange und hustete sich einem fernen Land entgegen, das sie Åsane nennen und das am Ende der Welt liegt und in dem du – wenn du Glück hast – gerade rechtzeitig ankommst, um den Wagen zu wenden und dich in die Schlange einzureihen, die am frühen Morgen wieder zurück in die Stadt fährt. Ich hatte auch einmal ein Fahrrad gehabt. Doch das war vor der Zeit gewesen, als sie die Stadt den Autos preisgaben und sie mit Abgasen tauften. Die Dunstglocke lag wie eine Haube über der Stadt, und das Hochfjell glich einer vergifteten Ratte, die auf dem Bauch lag und ein wenig Meeresluft einzuatmen versuchte. »Ist es gestohlen worden?«
    Er nickte.
    »Aber glaubst du nicht, dass die Polizei …?«
    »Doch, aber – dann gibt es nur Ärger.«
    »Ärger?«
    »Ja.« Er nickte heftig, und es sah aus, als habe sein ganzes Gesicht sich mit etwas gefüllt, das er mir erzählen wollte, wozu ihm aber die Worte fehlten.
    Dann wurde er plötzlich Realist. »Kostet es viel? Bist du … teuer?«
    »Ich bin der

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