Das Jesuskomplott. Thriller (German Edition)
Priester bei der Wandlung im Gottesdienst.»
Engel nickte.
«Genauso ist es. Was ich gerade aus dem Gedächtnis und deshalb möglicherweise nicht in jedem Wort korrekt zitiert habe, stammt aus dem ersten Korintherbrief des Paulus. Im Grunde genommen ist in diesen wenigen Worten der gesamte christliche Glaube enthalten. Jesus erlöst die Menschheit, indem er Leib und Blut opferte. Ich bin absolut sicher, dass er diese Worte nie gesprochen hat.»
«Ach kommen Sie, Wolfram», Stone atmete tief und hörbar durch. «Wenn ich mich recht erinnere, steht der Text in allen Evangelien, die selbst Sie nicht rundheraus als korrekte Quellen ablehnen.»
«Nicht in allen Evangelien, Theresia. Johannes zitiert diese Worte nicht, er beschreibt das letzte Abendmahl als ganz normales Abendessen. Wenn Jesus bei diesem Abendessen tatsächlich einen Ritus ins Leben gerufen hat, ist es seltsam, dass einer der Evangelisten davon nichts weiß.»
Stone war mit dieser Erklärung ganz und gar nicht zufrieden. Deshalb polterte sie:
«Aber Sie haben doch gesagt, dass Markus, Lukas und Matthäus zeitlich am dichtesten an den Ereignissen waren. Als Johannes seine Geschichte aufschrieb, war vieles vielleicht schon vergessen.»
Engel lachte.
«Harold hat Sie bei der Vorstellung als harten Brocken beschrieben. Ich muss sagen, Sie machen dieser Charakterisierung alle Ehre. Also versuchen wir es anders. Jesus war Jude, und für Juden galt und gilt das absolute Verbot, Blut zu sich nehmen. In der Apostelgeschichte wird später berichtet, dass auch Nichtjuden, die sich der christlichen Gemeinde anschließen wollten, das Verbot, Blut zu verzehren, auf jeden Fall einhalten mussten. Es ist deshalb völlig undenkbar, dass Jesus einen solchen Vergleich wählte, als er bestimmte, wie man seiner in einer rituellen Handlung gedenken solle.»
Engel schaute Stone fragend an.
«So ganz überzeugt scheinen Sie noch nicht zu sein, Theresia?»
«Stimmt. Ihrem selbstsicheren Tonfall kann ich aber wohl entnehmen, dass Sie das entscheidende Argument noch nicht angebracht haben.»
Engel nickte lächelnd.
«In der Tat. Wenn Jesus diesen Ritus tatsächlich begründete, müssen wir davon ausgehen, dass man ihn in den urchristlichen Gemeinden praktizierte. Das tat man aber nicht!»
«Woher wollen Sie das wissen», rief Deary erstaunt. «Schließlich gibt es nach ihren eigenen Worten kaum historische Quellen über die Christen in dieser Zeit.»
«In diesem Fall haben wir aber eine ausgezeichnete Quelle, und zwar die sogenannte Didache. Der Name sagt Ihnen vermutlich nichts, denn die Amtskirche unternimmt so ziemlich alles, um die Verbreitung dieser Schrift zu verhindern. Der Text stammt aus dem frühen zweiten Jahrhundert, sein vollständiger Titel lautet Lehre des Herrn durch die zwölf Apostel an die Heidenvölker . Er wurde 1873 in Konstantinopel gefunden und ist ohne jeden Zweifel echt. Kurz gesagt handelt es sich bei dieser ‹Zwölfapostellehre› um eine Art Katechismus, in dem sich viele konkrete Bestimmungen zur religiösen Praxis befinden, unter anderem zur Feier des Abendmahls. Denn in der Tat gab es in den urchristlichen Gemeinden ein rituelles Mahl. Man segnete, wie es alle Juden taten, Brot und Wein und gedachte der letzten gemeinsamen Stunden mit Jesus. Die Didache gibt klare Anweisungen, was dabei zu sprechen ist. Ich kann es nicht vollständig aus dem Gedächtnis zitieren, ich drucke Ihnen aber morgen gerne den Text aus. Ungefähr steht dort Folgendes:
Haltet das Mahl so. Nehmt den Kelch und sprecht: Wir sagen dir Dank, Vater, für den heiligen Weinstock Davids, den Du uns durch Jesus, Dein Kind, zu erkennen gabst. Dir sei Ehre für alle Zeit.
Bei dem gebrochenen Brot sprecht: Wir sagen Dir Dank, Vater, für das Leben und die Erkenntnis, welche Du uns zu erkennen gegeben hast durch Jesus, Dein Kind. Dir sei Ehre für alle Zeit.
So, und nicht wie bei Paulus beschrieben, feierten die urchristlichen Gemeinden die Eucharistie. Kein Wort von Leib und Blut, das vergossen wird zur Vergebung der Sünden.»
Es herrschte absolute Stille im Raum, in der nur das Knistern des Kaminfeuers zu hören war. Stone fasste sich als Erste.
«Puh, das ist starker Tobak. So langsam halte ich es für möglich, dass unser Skelett im Mausoleum tatsächlich dieser Jesus ist.»
***
«Gut gemacht, Wolfram!»
Die anderen hatten den Raum bereits verlassen.
«Du hast sie richtig scharf auf die Arbeit gemacht. Die meisten halten jetzt alles für
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