Das Jobinterviewknackerbuch
|11| EINFÜHRUNG
Job-Interviews wecken Fantasien von Macht und Ohnmacht – ganz gleich, ob Sie als Bewerber auf dieser Seite des Tisches zittern oder als Personaler auf der anderen Seite. Denn hinter verschlossenen Türen kommen existenzielle Fragen auf den Tisch. Bei Ihnen: Bekomme ich den Job? Und wenn ja: Nehme ich ihn an? Was heißt das für mein Leben? Im Unternehmen: Sind Sie die richtige Frau oder der richtige Mann? Profitiert die Firma von Ihnen? Oder ruinieren Sie den Laden?
Die Angst sitzt mit am Tisch, auf beiden Seiten. Das ist ein Grund, warum Sie bei Vorstellungsgesprächen oft schlechter abschneiden, als Sie eigentlich sind. Das ist der Grund, warum Sie im Job oft nicht die Richtung einschlagen können, in die Sie gern gehen würden. Und das ist einer der Gründe, warum wir dieses Buch geschrieben haben.
Wir möchten Ihnen die ökonomischen und sozialen Hintergründe liefern, die diese Angst auslösen. Wir hoffen, dass Sie mit dem Wissen über diese Hintergründe Ihrer Angst den Stachel ziehen können. Und wir wünschen Ihnen, dass Sie mit diesem Job-Interview-Knacker in Ihre nächsten Vorstellungsgespräche selbstbewusst, heiter und gelassen hineingehen, dass Sie die Nüsse locker knacken, die Ihnen auf den Tisch geworfen werden, und dass Sie zufrieden aus dem Gespräch herauskommen. Denn ganz gleich, wie merkwürdig oder freundlich Personaler auftreten, was sie sagen und wie sie entscheiden – vergessen Sie nie: Sie sind einzigartig, Ihr Leben ist Ihres und Sie gehen Ihren eigenen Weg!
|12| Die Angst treibt seltsame Blüten
Manche Bewerber haben vor dem Vorstellungsgespräch eine solche Angst, dass sie in Gedanken auf der Auslegeware kollabieren. Sie fürchten zu stolpern, zu stottern oder einen totalen Blackout. Andere trotzen ihrer Angst mit Größenwahn: »Ich werde es den Damen und Herren Personalern schon zeigen, dass ich der Richtige bin!« Sie strotzen vor Selbstbewusstsein – und manövrieren sich gerade deshalb ins Aus.
Bei den Personalern indes grassiert die Angst, den falschen Kandidaten einzustellen. Denn das bedeutet enorme Kosten für das Unternehmen (je wichtiger die zu besetzende Position, desto höher die Kosten), Ärger mit dem Chef und mit der Fachabteilung.
Vom Milieucheck über Grafologie bis zum Augenabstand
Ohnmachtsgefühle aufseiten der Personaler führen zu Misstrauen (»Die Bewerber verstellen sich und lügen doch alle!«). Das wiederum verführt einige Personaler zum Rückgriff auf unreflektierte Methoden: Sie wählen einfach den Kandidaten aus, der ihnen selbst oder dem Chef am ähnlichsten ist: der die gleichen Klamotten trägt, der die gleichen Umgangsformen pflegt, der die gleichen Wertvorstellungen vertritt – kurz: der so riecht wie sie selbst, weil er aus der gleichen Ecke der Gesellschaft stammt. Wir unterstellen, dass sehr viele Personaler im Interview lediglich einen »Milieucheck« vornehmen. Sie »erschnüffeln« den Lebensstil der Kandidaten, halten diesen Stil für »Persönlichkeit« und sind stolz auf ihre Menschenkenntnis.
Andere Personaler setzen auf obskure und scheinbar unbestechliche Auswahlmethoden wie oberflächliche Typentests, Grafologie, Astrologie oder sogar die Psycho-Physiognomik, die aus dem individuellen Augenabstand oder aus der Ohrläppchenform ableiten will, was für ein Typ jemand ist. »Seinen Schädel oder sein Sternbild kann keiner verfälschen. Das klingt für viele Personaler sehr attraktiv, sie suchen so etwas wie eine geheime Formel, mit der sie Menschen |13| durchschauen können«, erklärt Uwe Peter Kanning, Professor für Wirtschaftspsychologie an der Universität Osnabrück, in einem Interview mit
Spiegel Online
am 4. Mai 2010. Konkrete Zahlen dazu gebe es natürlich nicht, weil die Unternehmen über ihre obskuren Methoden schwiegen.
Aggressionen und Machtfantasien
Weniger schweigsam geht es in der Fachpresse zu: Hier zeigen Glossen und Kolumnen, dass Personaler nicht nur misstrauisch gegenüber Bewerbern sind, sondern mitunter auch richtig aggressiv: Jobst R. Hagedorn, Bereichsleiter Jugend der Fortbildungsakademie der Wirtschaft FAW, wettert etwa in der Zeitschrift
Personalwirtschaft
(2/2009), dass sich die Wirtschaft mit ihren Bewerbungsverfahren immer mehr Mühe gebe, während sich immer mehr »gut gekleidete Zeitfresser«, »angenagt vom Größenwahn-Virus«, auf alles bewerben, »was irgendwie nach einer Stelle aussieht« und gerade im Winter gerne in die warmen Büros kämen – statt unter Brücken zu
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