Das Jobinterviewknackerbuch
lungern, Herr Hagedorn? Der Kolumnist ereifert sich, »diese Menschen (…) essen dort die Kekse weg und trinken Kaffee« und »sind der Horror für jeden Personalmanager«. Wer hat denn die Unterlagen gesichtet und die Kandidaten eingeladen, fragen wir uns?
Aggression spricht auch aus dem Beitrag »The Worst Type Of Male Job Interview Candidates« des Internet-Magazins
hereisthecity. com
vom Juni 2011, das im Newsletter einer großen deutschen Wirtschaftszeitung als lesenswert empfohlen wurde. Nur auf den ersten Blick witzig beschreibt der nicht genannte Autor Bewerbertypen wie etwa den »Stinker«, den »Flatterer«, »Mr. Bullshit« und »Mr. Overconfident« – auf den zweiten Blick sprechen aus seinen Zeilen Zynismus, Menschenverachtung und Machtfantasien.
Diese haben wir übrigens auch in hiesigen Personalabteilungen gefunden: In einem unserer Interviews erzählte ein Personaler süffisant, eine Kandidatin habe sich während des Bewerbungsgesprächs »die |14| Bluse aufgeknöpft«. Wir hoffen sehr, dass es sich bei diesen Fantasien um Ausnahmen handelt. Denn dieses Buch schreiben wir nicht, um mit dem Berufsstand der Personaler abzurechnen. Das wäre Unsinn: Personaler sind ja genau wie wir alle in die Zwänge des Marktes eingebunden, die sie bei Strafe ihres Untergangs bedienen müssen.
Gewinnen Sie Macht zurück
Es geht um Sie! Um Sie als Bewerberin oder Bewerber, die immer und immer wieder Vorstellungsgespräche überleben müssen, damit Ihr Leben so weitergeht, wie Sie das gerne hätten.
Es geht darum, dass Sie sich bei einem Vorstellungsgespräch nie wieder so machtlos fühlen wie ein Kind beim Nikolaus. Sie erinnern sich? Sehr klein standen wir alle damals einer unangreifbaren und völlig undurchsichtigen Autorität gegenüber, die respektlose Fragen stellte, die uns kritisierte, die uns vielleicht sogar bloßstellte. Wir wussten ja, dass sich hinter dem staubigen Bart vom letzten Jahr nur irgendein Onkel verbirgt, aber wir fanden seine Show grauenhaft, anmaßend und dilettantisch. Immerhin ging der Nikolaus jedes Jahr wieder von der Bühne, wir trösteten unser demoliertes Ego mit klebriger Schokolade, und das Leben ging weiter. Von diesem himmlischen Personaler hing zum Glück nicht wirklich etwas ab.
Das ist bei seinen irdischen Kollegen anders: Diese entscheiden letztendlich darüber, ob Sie aufsteigen, ob Sie umziehen, ob Sie die Branche wechseln – oder eben nicht. Natürlich reden Sie selbst auch ein Wörtchen mit: Grundsätzlich muss ja niemand ein Angebot annehmen. Doch wenn Sie nicht gerade ein extrem gut qualifizierter, händeringend gesuchter »High Potential« sind, der sich seine Jobs aussuchen kann, dann sitzen die Personaler tatsächlich am längeren Hebel. »Bei uns haben alle die gleiche Chance«, behaupten sie zwar. Oder: »Wir bemühen uns um ein Gespräch zwischen gleichberechtigten Partnern.« Die subjektive Sicht des Personalers sei nicht entscheidend, |15| ebenso wenig die persönlichen Beziehungen des Bewerbers, sondern allein seine Kompetenz. Oder seine Persönlichkeit. Oder seine Wertvorstellungen. Oder ob die oft strapazierte »Chemie« stimmt. Das alles haben wir schon oft gehört. Doch was soll es konkret heißen? Und wie können Sie als Bewerber in der Welt dieser Schwammworte ein wenig Einfluss zurückgewinnen?
Genau das haben wir recherchiert, denn darüber gibt es – trotz der vielen Regalmeter mit Ratgebern zum Thema Bewerbung – nur wenige Informationen. Was in Vorstellungsgesprächen geschieht, das findet hinter verschlossenen Türen statt, und es folgt in jedem Unternehmen ganz eigenen Gesetzen. Es ist so schlecht messbar und für den kommerziellen Anzeigenmarkt offenbar so uninteressant, dass renommierte Studien wie die »Recruiting Trends 2011« der Universitäten Frankfurt am Main und Bamberg in Kooperation mit der Jobbörse
www.monster.de
das Thema nicht aufgreifen.
Wir versprechen Ihnen aber keine Omnipotenz. Wir glauben nicht an Phrasen nach dem Motto »Du musst es nur ganz fest wollen, dann klappt es auch«. Wir glauben nicht daran, dass sich Personaler wie Roboter fernsteuern lassen, wenn Sie nur die richtige Technik anwenden.
Wir sind aber überzeugt davon, dass es außerordentlich nützlich ist, die sozialen und ökonomischen Hintergründe zu durchschauen, die den Job-Interviews zugrunde liegen. Sie gewinnen dadurch eine neue Perspektive auf das Geschehen: Sie sehen sich das Spiel gewissermaßen von außen an. So können Sie zwar mitspielen –
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