Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
der Planet winzig, aber für die Bewohner ist er ziemlich groß, sogar groß genug, um von den Dummen unter ihnen für eine Scheibe gehalten zu werden.
Damit sie nicht herunterfallen, hat sich die Rundwelt eine Regel ausgedacht, der zufolge eine geheimnisvolle Kraft die Menschen festhält. Zum Glück gibt es dort keine welttragenden Elefanten. Gäbe es sie, könnten die Bewohner um ihre Weltenkugel herumgehen und die Stelle erreichen, wo sie auf einem Elefanten ruht. Für sie sähe es aus, als läge dieses riesige, ihre Welt tragende Geschöpf auf dem Rücken , mit den Füßen hoch oben in der Luft. (Mit gelb angemalten Füßen wäre der Elefant in einer Schüssel mit Vanillesoße nicht zu sehen – vorausgesetzt, die Schüssel wäre groß genug.)
Die Regeln der Rundwelt sind demokratisch. Die geheimnisvolle Kraft hält nicht nur die Menschen fest, sondern auch Tiere und alle losen Gegenstände. Aber sie ist schwach, was bedeutet: Die festgehaltenen Dinge können sich bewegen, was sie auch tun, die meiste Zeit zumindest.
Das gilt auch für den Rundwelt-Planeten. Er hat eine Sonne, die ihn aber nicht umkreist. Stattdessen verhält es sich umgekehrt: Der Planet umkreist die Sonne. Schlimmer noch: Dadurch entstehen nicht etwa Tag und Nacht, sondern Jahreszeiten, weil die Achse des Planeten geneigt ist. Außerdem ist die Umlaufbahn nicht genau kreisförmig, sondern ein bisschen eingedrückt, typisch für die allgemeine Schlampigkeit bei der Konstruktion der Rundwelt. Also, um Tag und Nacht zu bekommen, muss sich auch der Planet drehen. Es funktioniert, in gewisser Weise: Echte Dummköpfe können sich zu der Annahme verleiten lassen, die Sonne umkreise den Planeten. Aber – es leuchtet ja ein, dass es auch bei dieser Sache einen Haken gibt – die Drehung hindert die Rundwelt auch daran, zu einer richtigen Kugel zu werden, denn im geschmolzenen Zustand plattet sie oben und unten ein wenig ab. Man könnte auch sagen, dass die Kugel eingedrückt ist, ähnlich wie ihre Umlaufbahn um die Sonne. Ein klarer Fall von noch mehr Schlampigkeit.
Wegen dieser hoffnungslos verpfuschten Anordnung muss die Sonne riesig, sehr weit entfernt und außerdem auch noch absurd heiß sein: so heiß, dass neue Regeln erforderlich sind, damit sie brennt. Und fast ihre gesamte gewaltige Energiemenge wird vergeudet und nur dazu verwendet, leeren Raum zu erwärmen.
Die Rundwelt hat weder Stützen noch ein Fundament. Sie scheint sich für eine Schildkröte zu halten, denn sie schwimmt durchs All, gezogen von einer weiteren geheimnisvollen Kraft. Die menschlichen Bewohner staunen offenbar nicht über eine Kugel, die ohne Schwimmflossen schwimmt. Allerdings erschienen die Menschen erst vor etwa vierhunderttausend Jahren, und das ist nicht mehr als ein Hundertstel Prozent des Alters der Kugel. Sie scheinen durch Zufall entstanden zu sein, als kleine Kleckse, die sich spontan zu höheren Lebensformen entwickelten – worüber die Menschen oft streiten. Um ganz ehrlich zu sein: Sie sind nicht besonders intelligent, und mit dem Austüfteln moderner wissenschaftlicher Regeln für das Universum begannen sie erst vor vierhundert Jahren. Es liegt also noch reichlich Arbeit vor ihnen.
Mit viel Optimismus nennen sich die Bewohner der Rundwelt Homo sapiens , was in einer angemessen toten Sprache »kluger Mensch« bedeutet. Ihre Aktivitäten werden nur selten dieser Beschreibung gerecht, doch gelegentlich gibt es wunderbare Ausnahmen. Eigentlich sollten die Menschen Pan narrans heißen, »Geschichten erzählender Affe«, denn nichts reizt sie mehr als eine richtig schöne, knackige Geschichte. Sie sind verkörpertes Narrativium und derzeit damit beschäftigt, ihre Welt so umzugestalten, dass sie der Scheibenwelt ähnelt und Ereignisse eintreten, die dem menschlichen Willen Folge leisten. Sie haben ihre eigene Art der Magie erfunden, mit Zauberformeln wie »Mach einen Einbaum«, »Schalt das Licht ein« und »Login bei Twitter«. Diese Art von Magie mogelt, indem sie auf die Regeln hinter den Kulissen zurückgreift. Aber ausreichend Dummheit vorausgesetzt, kann man glauben, dass es sich tatsächlich um Zauber handelt.
Im ersten Buch, Die Gelehrten der Scheibenwelt , wird dies alles und noch mehr erklärt. Unter anderem geht es um große Napf- beziehungsweise Wellhornschnecken und die vom Pech verfolgte Zivilisation der Krabben und ihren großen Sprung zur Seite. Eine endlose Folge von Naturkatastrophen verdeutlichte, was der Instinkt der Zauberer gleich zu
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