Das Jüngste Gericht: Die Wissenschaft der Scheibenwelt 4 (German Edition)
Beginn des vorangehenden Kapitels: Jede Universität, die auch als Universität gelten will, braucht ihr ureigenstes Sehr Großes Ding.
Auf der Rundwelt ist es ganz ähnlich – und nicht nur bei Universitäten.
Die Teilchenphysik nahm ihren Anfang mit kleinen Gerätschaften und einer großen Idee. Das Wort »Atom« bedeutet »unteilbar«, eine Begriffswahl, die vom ersten Tage an auf der Kippe stand. Kaum dass die Physiker die Annahme von der Existenz der Atome geschluckt hatten – was sie erst vor reichlich einem Jahrhundert taten –, fragten sich einige von ihnen, ob es nicht vielleicht falsch wäre, den Namen wörtlich zu nehmen. 1897 zeigte Joseph John Thomson, dass an den Zweifeln etwas dran war, als er die Kathodenstrahlen entdeckte, winzige Teilchen, die von Atomen ausgesandt wurden. Die Teilchen wurden Elektronen genannt.
Man kann herumlungern und darauf warten, dass Atome neue Teilchen aussenden, man kann sie dazu ermuntern oder ihnen ein Angebot unterbreiten, das sie nicht ablehnen können, indem man sie gegen Dinge schießt, um zu sehen, was dabei absplittert und wo es hinfliegt. 1932 bauten John Cockroft und Ernest Walton einen kleinen Teilchenbeschleuniger und schrieben Geschichte, indem sie »das Atom spalteten«. Bald stellte sich heraus, dass Atome aus drei Arten von Teilchen bestehen: Elektronen, Protonen und Neutronen. Diese Teilchen sind äußerst klein, und nicht einmal das stärkste bisher erfundene Mikroskop kann sie sichtbar machen – allerdings kann man jetzt Atome mithilfe sehr empfindlicher Mikroskope »sehen«, die Quanteneffekte ausnutzen.
Alle Elemente – Wasserstoff, Helium, Kohlenstoff, Schwefel und so weiter – bestehen aus diesen drei Teilchen. Ihre chemischen Eigenschaften unterscheiden sich, weil ihre Atome Teilchen in unterschiedlicher Anzahl enthalten. Es gibt ein paar grundlegende Regeln. Insbesondere haben die Teilchen elektrische Ladungen: negativ beim Elektron, positiv beim Proton und null beim Neutron. Also müsste die Anzahl der Protonen gleich der der Elektronen sein, damit die Gesamtladung null ist. Ein Wasserstoffatom ist das denkbar einfachste, es hat ein Elektron und ein Proton, Helium hat zwei Elektronen, zwei Protonen und zwei Neutronen.
Die wichtigsten chemischen Eigenschaften eines Atoms hängen von der Zahl der Elektronen ab, also kann man unterschiedliche Anzahlen von Neutronen zugeben, ohne dass sich die Chemie gravierend ändert. Ein wenig ändert sie sich aber doch. Das erklärt die Existenz von Isotopen: Varianten eines bestimmten Elements mit einer geringfügig anderen Chemie. Ein Atom der häufigsten Form von Kohlenstoff hat beispielsweise sechs Elektronen, sechs Protonen und sechs Neutronen. Es gibt andere Isotope, die zwei bis sechzehn Neutronen haben. Kohlenstoff-14, den Archäologen zur Datierung sehr alten organischen Materials benutzen, hat acht Neutronen. Ein Atom der häufigsten Form von Schwefel hat sechzehn Elektronen, sechzehn Protonen und sechzehn Neutronen. Es sind 25 Isotope bekannt.
Für die chemischen Eigenschaften des Atoms sind Elektronen besonders wichtig, weil sie zu anderen Atomen Verbindung aufnehmen und so Moleküle bilden können. Die Protonen und Neutronen sind dicht im Zentrum des Atoms zusammengeballt und bilden seinen Kern. Einer frühen Theorie zufolge sollten die Elektronen den Kern umkreisen wie Planeten die Sonne. Dann wurde dieses Bild von einem anderen ersetzt, bei dem ein Elektron eine unscharfe Wahrscheinlichkeitswolke ist, die uns nicht sagt, wo sich das Teilchen befindet , sondern wo man es wahrscheinlich findet, wenn man es zu beobachten versucht. Heute hält man sogar dieses Bild für eine allzu vereinfachte Beschreibung von ziemlich hoch entwickelter Mathematik, der zufolge sich das Elektron gleichzeitig überall und nirgends befindet.
Diese drei Teilchen – Elektronen, Protonen und Neutronen – vereinheitlichten die Gesamtheit von Physik und Chemie. Sie erklärten die ganze Liste der chemischen Elemente vom Wasserstoff bis zum Californium, dem komplexesten natürlich vorkommenden Element, und sogar verschiedene kurzlebige, künstlich erzeugte Elemente von noch größerer Komplexität. Um die Materie in ihrer ganzen glorreichen Vielfalt zu bekommen, brauchte man nichts als eine kurze Liste von Teilchen, die »elementar« waren in dem Sinn, dass man sie nicht in noch kleinere Teilchen aufspalten konnte. Es war einfach und geradlinig.
Natürlich blieb es nicht einfach. Zunächst musste die
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