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Das Kainsmal

Titel: Das Kainsmal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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reine Spektakel angeht, müssen die Baumnächte als Höhepunkt der Crash-Party-Kultur angesehen werden. Wie immer ging es auch hier darum, als Flagge etwas zu wählen, was von der nicht eingeweihten Öffentlichkeit für etwas Alltägliches oder schlimmstenfalls für ein Versehen gehalten wurde.
    Zu diesen »versehentlichen« Flaggen zählten Kaffeetassen und Stullenpakete. Solche Flaggen kamen in so genannten Hoppla-Nächten zum Einsatz: War zum Beispiel im Rahmen einer Hoppla-Nacht eine »Kaffeefahrt« angesetzt, gaben sich die Teilnehmer dadurch zu erkennen, dass sie mit einem aufs Dach ihres Fahrzeugs geschraubten oder geklebten großen Kaffeebecher umherfuhren. Der Kaffee selbst war optional. Zu einer »Stullenfahrt« klebten sich die Teams ein in Butterbrotpapier gewickeltes Päckchen aufs Dach. Unbeteiligte hielten diese Flaggen für ein Anzeichen von Vergesslichkeit oder Zerstreutheit, und es kam nicht selten vor, dass jemand zu einem Teamfahrzeug aufschloss und lachend darauf zeigte, um den Fahrer auf sein Versehen aufmerksam zu machen; manche versuchten gar, ihm den vergessenen Gegenstand ins Auto hineinzureichen.
    Für die »Baby an Bord«-Partys wurde eine weitere Variante der »Flagge aus Versehen« verwendet. Verständlicherweise reagierte die Öffentlichkeit beim Anblick eines rasenden Autos mit einem Kinderwagen samt Kind darin auf dem Dach alles anders als belustigt.
     
    Symon Praeger (

Party-Crasher): Der Auktionator beginnt die Versteigerung mit fünfzig Dollar: »Höre ich fünfzig? Bietet jemand fünfzig Dollar auf Los Nummer eins?«
    Wir sind auf dem Hof von Sammys Abschleppdienst, also haben wir Dienstag. Die Versteigerung polizeilich beschlagnahmter Gegenstände findet mittwochs bei Radio Retrieval statt. Gut organisiert, was? Freitags sind wir immer beim Abschleppdienst Patrol, um uns die Wagen erst mal anzusehen. Von der Polizei sichergestellte Tatfahrzeuge. Herrenlose Autos. Autos, die im Zuge von Drogenrazzien oder wegen unbezahlter Strafzettel aus dem Verkehr gezogen wurden. Autos, die abgeschleppt und nie zurückgefordert wurden: Sie alle werden an den Meistbietenden verramscht.
    Wenn man ein Auto sucht, das man nur für ein paar Tage braucht, von oben bis unten mit Farbe und Leim beschmiert, mit dem man irgendein anderes Schrottauto rammen will, dann ist man hier richtig. Mit Fettstift, in leuchtendem Gelb oder Orange, hat man auf die Fenster solcher Autos geschrieben: »Z.riemen gerissen« oder »Motoraufhängg. def.« Auf der Windschutzscheibe eines großen Viertürers, noch mit »frisch verheiratet« in verschmierter Zahnpasta an der Seite und hinten mit Blechdosen behängt, steht zu lesen: »Nockenwelle def.«
    In dem verbeulten und zerknautschten Auto, das jetzt gerade zur Versteigerung aufgerufen wird, kleben noch Blut und Haare am Armaturenbrett.
     
    Aus den Aufzeichnungen von Green Taylor Simms: Babypuppe und Kinderwagen waren natürlich fest angeschraubt. Die meisten Teams benutzten Woche für Woche dieselben Bohrlöcher und Schrauben und tauschten lediglich den Kinderwagen gegen den Kaffeebecher oder das Stullenpaket und so weiter aus. Andere Teams, deren Fahrzeuge durch immer mehr Beulen und Schrammen als Zielobjekte immer unattraktiver wurden, variierten das Thema. Anstelle eines Kaffeebechers etwa befestigten sie auf ihrem Dach eine Espressomaschine und ein Tablett mit kleinen Tassen und Untertassen. Ein Körbchen mit pain au chocolat. Eine schlanke Silbervase mit einer Rose drin, die im Fahrtwind zitterte.
     
    Shot Dunyun: Der Auktionator ruft: »Fünfundsiebzig, fünfundsiebzig, wer bietet achtzig? Wer bietet achtzig Dollar? Höre ich achtzig ...?«
    Rant und Echo schlendern noch immer auf dem Parkplatz herum und schauen unter Motorhauben. Echo zeigt auf rostige, ramponierte Minivans, Kreppapier hängt in Fetzen daran, und mit Plakatfarbe steht darauf geschrieben: »Jetzt geht's los!« Die Sitze, der Boden, alles ist übersät mit Einwickelpapier von Schokoriegeln und Hamburgern, die das Team nach einer Fußballelternnacht da hat liegen lassen.
    Echo öffnet die Fahrertür eines Coupes, auf dessen Dach ein blasser Plastikweihnachtsbaum festgezurrt ist. Sie drückt auf einen Knopf am Radio, aber es tut sich nichts. Sie drückt noch einmal, fester, und eine CD springt raus. »Mein Lieblingsmix für die Jagd«, sagt sie und wedelt Rant mit der Scheibe zu. Echo sagt: »Ich dachte schon, die würde ich nie wieder hören.«
     
    Aus den Aufzeichnungen von Green Taylor

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