Das kalte Schwert
beides dann wieder fallenließ. Verwirrt starrte sie den Staub an. Sie hatte nichts damit zu tun und glaubte auch nicht, dass eine der angerufenen Mächte damit …
»Einen Augenblick, bitte.«
Atalmire grunzte und wandte sich zu Menkarak, der auf Thetannisch auf ihn einredete. Risgillen hatte keine Ahnung, worum das Gespräch ging, und es war ihr auch gleichgültig. Schlimm genug, dass sie die verfälschten Überreste der alten Sprache beherrschen musste, die sie im Norden verwendeten. Da würde sie dieses öde, beschissene Gerassel nicht auch noch lernen. Sollte Atalmire doch die Werkzeuge hier unten kommandieren, sollte Atalmire die Klauen der Sonne herabrufen auf diese sonnenversengte Wüstenhölle, sollte er die Verantwortung dafür übernehmen und regieren, was übrigblieb, wenn er wollte! Ihr Platz war im Norden, wo sie den Traum ihres Bruders von der Rückkehr vorbereitete.
Sie legte eine Hand in die Blutpfütze auf dem Altar neben dem Jungen und hielt die andere weiter auf die zitternde Brust gedrückt. Tastete nach der Gestalt der Blockade.
»Eile wäre hier nicht dienlich«, rief sie zu Atalmire hinauf und unterbrach durch diese Worte das Gespräch mit dem Priester. »Das Blut dieses Vettern rät vom Handeln ab, ebenso wie bei den letzten dreien. Wenn wir nicht erst den Grund dafür herausfinden,
gehen wir das Risiko ein, alles zu zerstören, wofür du gearbeitet hast.«
Atalmire hob eine Hand, um Menkarak zum Schweigen zu bringen, und beugte sich dann über das Geländer herab. »Wenn wir noch viel länger warten, Mylady, gehen wir das Risiko ein, dass der Palast über Afa’marag herfällt und wir unser Tor verlieren.«
»Das tun sie erst, wenn Ringils drei Tage vorüber sind.« Risgillen verzog das Gesicht und streckte erneut die Hand aus. Sie konnte aus dem Gemenge an Resonanzen, welche das Blutopfer in die grauen Orte hinausschickte, keine Klarheit gewinnen. Sie konnte sich nicht erinnern, in den letzten paar Tausend Jahren des Wahrsagens so etwas schon einmal erlebt zu haben. »Und selbst dann ergreifen sie vielleicht nicht die Initiative. Der Imperator ist vorsichtig in seinem Umgang mit der Zitadelle, er muss Staatsaffären austarieren.«
»Unsere Quellen sagen, er ist von dem überzeugt, was der Drachentöter erzählt hat.«
Risgillen schüttelte gereizt den Kopf. »Unsere Quellen sagen, er wird keinen Krieg mit der Zitadelle riskieren, bis alle anderen Möglichkeiten erschöpft sind. Das verschafft uns Zeit. Und schlimmstenfalls verschafft es uns die Zeit, Afa’marag zu verlassen, uns zurückzuziehen und einen anderen Ort zu suchen.«
»Das wäre ein vernichtender Rückschlag.«
»Oh, sei nicht so theatralisch!« Risgillen senkte den Kopf auf die Brust des Jungen und horchte auf den erlahmenden Schlag seines Herzens. Wiederum runzelte sie die Stirn. »Es kostet uns vielleicht ein Jahr oder zwei. Dein Priesterschoßtier da oben ist nicht der einzige Ansatzpunkt, den wir haben. Die Zitadelle ist voller nützlicher Idioten wie er. Aber eins kann ich dir ganz sicher
sagen, Atalmire – wenn du die Krallen der Sonne ohne die korrekten Rituale hier anwendest, riskierst du den Zorn der Schöpfer. Und das könnte uns weitere tausend Jahre zurückwerfen.«
»Einige von uns würden dieses Risiko eingehen«, knurrte Atalmire.
»Ja.« Ihre Aufmerksamkeit galt plötzlich wieder dem Balkon oben. Sie starrte den anderen Dwenda mit offener Verachtung an. »Und das allein zeigt, wie tief wir gesunken sind. Jetzt halt den Mund und lass mich …«
Helligkeit, ein Blitz – er bestürmte sie hinter den Augen – ein Wind heult über die Sumpfebene, reißt die Wurzeln der Exemplare aus, schleudert sie umher, schließt ihre wachenden Augen. Etwas sammelt sie ein …
Etwas, dessen Gestalt sie zuvor schon berührt hat.
Ruckartig zog sie die Hand aus dem Blut, wirbelte herum. Der kleine Staubteufel war zurückgekehrt und wand sich durch den Raum zwischen den Statuen. Erhob sich jetzt, nahm Staub und leere Hüllen von Spinnen mit, hielt alles fest, auf Kniehöhe, Hüfthöhe, Brusthöhe und …
Trotz seiner Ungeduld war Atalmire eingestimmt wie alle von aldrainischem Adel. Er sah zu dem Staubteufel, dann wieder zu ihr. Winkte. »Was soll das denn sein, verdammt?«
»Etwas kommt!«, flüsterte sie.
Plötzlich schlug der Junge unter ihrer Hand um sich. Er entwand sich ihrem Griff – und versuchte, sich aufzusetzen. Die Augen weit aufgerissen im Wissen, was sie ihm angetan hatte. Der Mund darum
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