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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Trenow
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Bewegungen, als wolle ich aufschlagen, und fühle mich plötzlich zurückversetzt ins Jahr 1938 an einen besonders heißen Julitag. Vera und ich hatten eines unserer halbherzigen Tennismatche ausgetragen, barfuß auf dem Rasen zwischen den Maulwurfhügeln, und die Bälle binnen Kurzem alle über den Maschendrahtzaun ins hohe Gras der Streuobstwiese geschlagen. Aus Furcht davor, auf eine der Bienen zu treten, die geschäftig in dem blühenden Klee summten, staksten wir auf Zehenspitzen herum und fanden zwei wieder. Der dritte blieb verschwunden.
    » Gib’s auf « , seufzte Vera und ließ sich bäuchlings auf den Rasen fallen, ohne sich um Grasflecken zu scheren, Arme und Beine wie ein Schwimmer weit ausgestreckt. Ihre rot lackierten Fingernägel verkündeten demonstrativ unsere Befreiung von der Schule. Ich legte mich neben sie und malte mir meine Zukunft in den schönsten Farben aus. Die Sonne auf meiner Wange wurde zur Berührung einer warmen Hand, der sanfte Windhauch in meinem Haar zum Atem eines attraktiven jungen Mannes, der mir zuflüsterte, dass er mich liebte.
    » Einen Penny für deine Gedanken « , sagte Vera nach einer Weile.
    » Das Übliche. Das weißt du ganz genau. Und jetzt halt den Mund und lass mich zu ihm zurück. «
    Vera war meine beste Freundin, seit ich ihr vergeben hatte, dass sie mich in der Vorschule immer an den Zöpfen zog. Mit anderen Worten: seit einer Ewigkeit fast. Als wir ins Teenageralter kamen, waren wir ein seltsames Gespann; ich war inzwischen gut fünfzehn Zentimeter größer als sie, nur mein Busen wuchs nicht, obwohl ich allerlei dubiose Ratschläge befolgte, die angeblich Abhilfe schaffen sollten. Vera hingegen entwickelte eine Figur, die einem Hollywoodstarlet Ehre gemacht hätte.
    Neben ihr kam ich mir irgendwie unweiblich vor – dabei wollte ich genau das so gerne sein. Also unternahm ich einige Versuche, meinem festen braunen Haar eine Dauerwelle und mir mehr Sexappeal zu verpassen. Es endete mit einem Fiasko, und selbst heute noch erinnert mich der Geruch von Dauerwellenlotion daran, wie grauenvoll ich damals aussah. Sobald meine Haare wieder in ihren Normalzustand zurückgekehrt waren, entschied ich mich für einen glatten, kinnlangen Bob, mit dem ich mir enorm verwegen und modern vorkam, während Vera ihr Haar gewagt platinblond bleichte und à la Hollywood frisierte.
    Gemeinsam verbrachten wir Stunden vor dem Spiegel, um unser Make-up zu verfeinern, und Vera probierte aus, wie sie ihre Grübchen und Lippen betonen konnte. Damit ich mir nicht allzu unterlegen vorkam, erklärte sie großzügig, sie gäbe alles in der Welt dafür, wenn sie bloß meine Wangenknochen und meine langen Wimpern hätte.
    In allen anderen Dingen waren wir uns sehr ähnlich – wir lachten über dieselben Dinge, schwärmten für dieselben Jungs, liebten dieselbe Musik, regten uns über dieselben Ungerechtigkeiten auf. Waren beide achtzehn, gerade mit der Schule fertig und sehnten uns danach, uns zu verlieben.
    » Höre ich dich etwa in den Armen deines imaginären Liebhabers seufzen? «
    » Mais oui, un très sexy garçon français. «
    » Du dumme Gans. Hast wohl zu viele Liebesromane gelesen. «
    Außer unserem Reden und Lachen herrschte Stille ringsum, unterbrochen nur vom gelegentlichen Tuckern eines Traktors auf der Straße und dem Muhen der Kühe in den Auwiesen, die nach ihren Kälbern riefen. Die Schule schien inzwischen weit entfernt, wie ein anderes Leben fast. Abgesehen von der Ungewissheit, wie unsere Prüfungen ausgefallen waren, lag die Zukunft strahlend und verheißungsvoll vor uns. Plötzlich sagte Vera: » Was glaubst du, was wird wirklich passieren? «
    » Wie meinst du das? Wissen wir das nicht längst? Ich gehe nach Genf, um Französisch zu lernen, treffe dort den attraktivsten Mann auf Erden, und du leerst Bettpfannen im Krankenhaus. So haben wir das doch geplant, oder? «
    Sie ignorierte die Stichelei. » Ich meine mit den Deutschen. Jetzt, nachdem Hitler Österreich vereinnahmt hat und so. «
    » Die werden das schon hinkriegen, oder? « , sagte ich und betrachtete die Schleierwolken, die beinahe unmerklich über den tiefblauen Himmel zogen. An diesem Morgen hatte mein Vater am Frühstückstisch über der Times gesessen, dabei geseufzt und gemurmelt: » Chamberlain sollte langsam in die Gänge kommen. Das Letzte, was wir jetzt brauchen, ist ein Krieg. « Doch hier im Sonnenschein weigerte ich mich, mir irgendetwas anderes vorzustellen als ein perfektes Leben.
    » Das

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