Das Kellerzimmer (German Edition)
fest vorgenommen in der neuen Stadt nicht gleich wieder damit anzufangen. Sören war sich dessen bewusst, dass er ein echter Frauentyp war. Hanna war auch mal ein Männertyp gewesen, damals als er sie kennenlernte. Ihr Vater war ein einflussreicher Mann und förderte Sören, wo er nur konnte. Und seine Tochter Hanna sah blendend aus, war witzig und kultiviert. Außerdem genau der Typ Frau, mit der er endlich treu sein könnte – dachte er zumindest. Doch er wurde schon schwach, da war Kimberley noch nicht einmal geboren. Zu viele Frauen, die mit ihm schäkerten, da konnte er nicht nein sagen. Hanna bekam von all dem nichts mit. Er liebte sie ja auch wirklich – aber ihr Aussehen und ihre ständigen Launen gingen ihm auf die Nerven. Vielleicht würde er nach dem Meeting noch mal zu der Azubine rübergehen und ihr einen kleinen Arbeitsauftrag geben. Ihr Name war Chantalle und er wettete, sie trug einen roten Spitzenstring.
Kapitel 3
Dieser Bauchweg-Body hatte ihr schon so manchen Tag gerettet. Hanna zwängte sich in den fleischfarbenen Einteiler und bemühte sich, nicht in den Spiegel zu schauen. Es war früher Nachmittag und die kalte Winterluft kroch durch das auf Kipp gelehnte Schlafzimmerfenster. Dennoch schwitzte Hanna wie ein Bulle. Krampfhaft versuchte sie, nicht in Panik zu geraten. Sie wollte doch nur einmal über die Straße gehen, um ihre neue Nachbarin locker-flockig zu begrüßen. Was war nur mit ihr los? Endlich saß das Mörderteil richtig und zwängte den Speck zusammen. So, nun noch den engen schwarzen Strickpulli mit dem Wasserfallkragen drüber und die einzige Jeans an, in der sie noch halbwegs jung aussah. Ihre blonden, glatten Haare hatte sie locker hochgesteckt, das Gesicht perfekt geschminkt. So wahnsinnig dick war sie nun auch nicht, redete Hanna sich zu. Die hohen Stiefeletten in Creme würden gut passen, wenn sie ihren beigefarbenen Trenchcoat dazu anziehen würde. Das war zwar eigentlich zu dünn, aber bestimmt müsste sie nicht ewig vor der Haustür von Suhrhoffs stehen und hereingebeten werden. Noch ein wenig Silberschmuck, fertig. Aufgeregt stolzierte Hanna hinüber zu Lisa. Die Straße war wie leergefegt, nur die Gardine von den alten Schmidts bewegte sich verräterisch. Was gab es da schon zu gucken? Ein harmloser Besuch unter Nachbarinnen, nicht mehr.
Hanna drückte auf den Klingelknopf. Ihr Herz schlug bis zum Hals und um sich abzulenken, schaute sie freundlich lächelnd nach links und rechts. Hübsch hatte Lisa alles hier draußen dekoriert mit vielen bunten Glaselementen. Sie schien kreativ zu sein. Hinter der Haustür hörte Hanna heraneilende Schritte. Langsam öffnete sich die Tür und eine perfekt gestylte Lisa lächelte sie an. Wow, wie gut sie wieder aussah. Ihre Haare sahen aus, als käme sie gerade vom Frisör. Die Figur war sowieso der Hammer und Hanna fühlte sich sofort plump und dick. Lisa trug einen figurbetonten Overall in dunklem Lila. Ihre schmale Taille zierte ein breiter pinkfarbener Gürtel. Bei jeder anderen Person hätte dieses Outfit wie eine Sünde aus den Achtzigerjahren gewirkt – doch an Lisa sah es perfekt aus. Sie trug noch nicht einmal Hausschuhe, sondern Pumps mit einem kleinen Absatz.
„ Hanna! Schön dich zu sehen! Was kann ich für dich tun?“, fragte Lisa freundlich und versperrte mit der halb geöffneten Tür und ausgestreckten Armen die Sicht aufs Innere des Hauses.
„ Hallo Lisa! Also, es ist mir ein bisschen peinlich, aber ich wollte dich fragen, ob du Lust hast mit mir einen Cappuccino zu trinken. Mir war gerade langweilig und da kam mir spontan die Idee...“, strahlte Hanna, die zu ihrer alten Tarnung der patenten Frohnatur zurückgefunden hatte. Sie machte sich gerade und schaute erwartungsvoll in das überraschte Gesicht ihres Gegenübers. Gut, dass Ingmar nicht hier ist, schoss es Lisa durch den Kopf. Aber Hanna machte einen netten Eindruck und ihr war ebenfalls langweilig. Keiner hatte bisher Notiz von ihrem Overall genommen. Sebastian war nach der Schule zu einem Freund mitgegangen und Julia war noch gar nicht heimgekehrt. Lisa sehnte sich nach einem Gespräch, von ihr aus auch mit der fetten Kuh von gegenüber. Eigentlich sah sie ja doch ganz sympathisch aus.
„ Komm doch rein, es ist ja wahnsinnig kalt!“, lud Lisa Hanna ein und gab den Weg in ihr Reich frei. Hanna atmete erleichtert auf und sagte: „Aber nur, wenn es dir wirklich passt! Ich wollte dich echt nicht überrumpeln.“
„ Nein, nein, kein Problem. Ich hatte
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