Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe
großartig. Die Schwangerschaft war ein Klacks gewesen und Ingmar vergötterte sie. Lisa war so verschossen in ihren eigenen Mann, dass sie sich manchmal selbst kneifen mussten – das konnte doch alles nicht wahr sein! In ihrer Kindheit hatte sie sich oft einsam und ungeliebt gefühlt. Doch an Ingmars Seite erfand sie sich neu. Sie strahlte vor Glück und ihr gutes Aussehen brachte ihr täglich viele bewundernde Blicke ein. Wenn sie mit Baby Julia und Ingmar spazieren ging, spürte sie die Anerkennung und auch den Neid. Was für eine Bilderbuchfamilie! Ingmar groß, kräftig und männlich. Sie zart, schlank und makellos schön. Das Kind aufgeweckt, mit großen Augen und süß wie zehn Kilo Schokolade.
Der Sex spielte von Anfang an eine Riesenrolle in ihrer Beziehung. Ingmar war ihr erster Mann, vorher hatte sie nur ein paar Teenie-Schwärmereien erlebt, nichts Ernsthaftes. Ihr Mann hingegen verfügte schon über Erfahrungen, auf die sie immer eifersüchtig bleiben würde. Dennoch war der Vorteil, dass er genau wusste, wie er eine Frau verwöhnte. Er wusste auch, was Lisa tun musste, damit er sich gut fühlte. Sie taten es einfach immer. Überall. Täglich. Lisa liebte es, mit ihrem Mann zu schlafen, es gab für sie nichts Besseres auf der Welt als Sex mit Ingmar.
Julia störte sie kaum. Sie schlief schon mit wenigen Wochen durch und Lisa war davon überzeugt, dass das an ihrer guten Erziehung lag. Natürlich stillte sie das Kind, aber man musste es nicht übertreiben. Nachts war Ruhe und wenn Julia mal wach wurde, dann rannte Lisa nicht gleich zum Kinderzimmer, sondern ließ die Kleine etwas schreien. Ingmar hätte sie ohnehin für verrückt erklärt, wenn Lisa sich mehr um das Kind als um ihn gekümmert hätte. Nein, das war auch nicht nötig. Lisa war eine perfekte Mutter und Ehefrau und Ingmar zeigte ihr jede Nacht, wie sehr er sie dafür bewunderte.
Doch mit der zweiten Schwangerschaft zog etwas Neues in die Familie ein: die Angst. Etwas veränderte sich zwischen Ingmar und Lisa. Lisa hing schon morgens über der Kloschüssel und konnte überhaupt kein Essen bei sich behalten. Das Baby machte ihr schon Ärger, da war es noch nicht einmal auf der Welt! „Wird bestimmt ein Junge!“, meinte Ingmar. „Da geht es dir dann einfach anders. Müssen andere Frauen auch durch, also stell dich bitte nicht so an.“ Lisa versuchte es ja auch! Obwohl sie abends völlig erschöpft war – ein Kleinkind und die anstrengende Schwangerschaft zollten ihren Tribut – bemühte sie sich um die Aufmerksamkeit ihres Mannes. Sie griff zu härteren Methoden, wollte sich selbst beweisen, wie gut sie es drauf hatte. Las Ratgeber, ergriff immer häufiger die Initiative und wählte eindeutigere Dessous als zuvor. Je schlechter es ihr ging, desto aggressiver ging sie gegen sich selbst vor. Aus Angst, für ihren Mann nicht mehr attraktiv zu sein, brachte sie Julia früher ins Bett oder warf ihrem Mann verführerische Blicke während des Stillens zu und bot sich ihm zu jeder Tages- und Nachtzeit an.
Ingmar gefiel das. Er war so stolz auf seine Frau. Sie war die Schönste von allen und jeder Ritt auf ihr brachte ihn an den Rande des Wahnsinns. Welcher Mann konnte schon nahezu täglich mit seiner Frau schlafen? Dass sie nun auch noch den Spieß umdrehte und ihn immer häufiger beherrschte, verschaffte ihm eine Dauererektion. Von früh bis spät dachte er immer nur an Lisa, Lisa, Lisa. Sie waren sich gegenseitig ausgeliefert und überlegten sich immer neue Spielchen, wie sie einander noch heißer als am Tag zuvor machen konnten.
Kurz bevor Vivien zur Welt kam, wollte Lisa nicht mehr. Zuerst war Ingmar etwas sauer, doch dann sah er es ein. Er war doch kein Unmensch! Dafür liebte Lisa ihn noch mehr. Dass er Verständnis aufbrachte und sich sogar manchmal um Julia kümmerte, war für sie der größte Liebesbeweis überhaupt. Sobald das Kind geboren wäre, würde sie ihrem Mann wieder eine perfekte Geliebte sein. Doch es kam anders. Vivien war nicht so pflegeleicht wie ihre große Schwester. Von Anfang an muckte sie rum. Sie war auch nicht so hübsch. Natürlich sprach niemand direkt darüber, doch sie sahen es beide gleich – sowohl Lisa als auch Ingmar dachten beim Anblick ihres zweiten Kindes, dass irgendwas schiefgelaufen sein musste. Wie konnte in ihre Bilderbuchfamilie ein solches plumpes Wesen geraten sein?
Das neue Kind schrie und schrie. Das Stillen war eine Qual und die Nächte wurden von Lisa nicht mehr zum Schlafen genutzt,
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