Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe
Sie um einen Rückruf baten. Was kann ich für Sie tun?“
„Oh hallo, ja, guten Tag“, ratterte Lisa schwer atmend. Hoffentlich würde sie sich nicht allzu dumm ausdrücken. Ingmar sagte auch immer, dass sie manchmal nichts in der Birne hatte. „Also, ich wollte mal gerne mit Ihnen sprechen, wenn das möglich ist. Aber mein Mann soll bitte nichts davon erfahren. Geht das? Oder ist das gegen die Regeln eines Anwalts?“
Der Anwalt lachte freundlich auf. Er wirkte sympathisch und Lisa beruhigte sich etwas.
„Natürlich, das ist kein Problem. Wie geht es Ihnen und den Kindern denn? Das ist ja sicherlich auch nicht leicht für Sie als Familie.“
„Ehrlich gesagt nicht so gut. Die Kinder vermissen ihren Papa und ich natürlich meinen Mann. Das ist auch alles so übertrieben worden! Ich weiß jetzt nicht so richtig, wie ich anfangen soll… Also, ich würde meinem Mann gerne helfen, wenn das möglich ist. Ich, ich…“
„Sagen Sie es einfach frei heraus, keine Sorge. Ich hab ein dickes Fell.“
„Ich bin mit schuld daran, dass das alles passiert ist. Vor vielen Jahren ist nämlich mal was passiert und mein Mann hat immer zu mir gehalten, verstehen Sie?“
„Kann es sein, dass Sie von Ihrer verstorbenen Tochter sprechen?“
„Davon wissen Sie?“, entfuhr es Lisa. Sie war fassungslos. Hatte Ingmar davon etwa gesprochen? Sie wollten doch beide nie davon erzählen!
„Ja, davon weiß ich. Frau Suhrhoff, ich hoffe, ich trete Ihnen nicht zu nahe, aber Ihr Mann ist kein Engel und vielleicht ist es ganz gut so, dass Sie jetzt in Sicherheit sind, weil er seine Strafe verbüßt. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin sein Anwalt und vertrete die Interessen Ihres Ehegatten. Aber dass er Ihnen die Schuld am Tod der kleinen Tochter in die Schuhe schieben möchte, halte ich nicht gerade für einen Liebesbeweis.“
Lisa brachte keinen Ton heraus. Wieso tat Ingmar so etwas?
„Sind Sie noch dran, Frau Suhrhoff? Wissen Sie, ich bin in erster Linie Mensch und dann kommt der Beruf. Ihr Mann schlug mir bei meinem letzten Besuch in der Untersuchungshaftanstalt vor, dass wir Sie wegen fahrlässiger Tötung anzeigen. Ich habe meinem Mandanten, also Ihrem Mann, diese verrückte Idee aber ausreden können. Wenn Sie mich nach meiner persönlichen Meinung fragen würden, dann sollten Sie sehen, dass Sie aus dieser Ehe herauskommen. Meine Meinung.“
„Danke für Ihre Offenheit, Herr Berger. Ich muss das erst einmal sacken lassen.“ Die Tränen liefen Lisa herunter und ihre Hände zitterten.
„Natürlich, denken Sie in Ruhe nach. Suchen Sie sich Hilfe. Haben Sie eigentlich einen Therapeuten?“
„Nein, Ingmar und ich mögen dieses Psychologengequatsche nicht.“
„Nun… Es ist Ihr Leben. Und das Ihrer Kinder, das sollte man nie vergessen.“
„Danke. Ich mach erstmal Schluss. Auf Wiederhören.“
„Alles Gute, Frau Suhrhoff. Tschüss, vielleicht sehen wir uns vor Gericht, falls Sie als Zeugin geladen werden. Ansonsten gebe ich Ihnen den Rat, nicht zum Termin zu erscheinen.“
„Der steht ja eh noch nicht fest, ich denke drüber nach.“
„Doch, Frau Suhrhoff, der Termin ist bereits anberaumt. Warten Sie, ich schau schnell nach… Termin zur ersten Anhörung in der Strafsache Suhrhoff am 8. Mai um 10:45 Uhr im Landgericht. Die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen. Falls Sie aussagen müssen, bekommen Sie eine Ladung zugestellt. Wenn Sie wollen, nehme ich Sie dann mit.“
Wortlos beendete Lisa das Gespräch. Das war zu viel für sie. Ingmar belog sie nach Strich und Faden. Er wollte sie wegen Vivien anschwärzen und verschwieg ihr seinen Gerichtstermin. Ihre Ehe war am Ende. Das war die größte Katastrophe, die Lisa sich vorstellen konnte. Sie öffnete den kleinen Medikamentenschrank, der an der Tür zum Hauswirtschaftsraum befestigt war, und suchte sich vier Pillenpackungen zusammen. Sie fand Migränemittel, starke Schmerzmittel, die Ingmar mal nach einem Bandscheibenvorfall bekommen hatte, noch mehr Kopfschmerztabletten und eine fast volle Packung Schlaftabletten.
Lisa zog sich den violetten Overall an, in dem sie zierlich und sexy aussah. Außerdem würde nichts unschön verrutschen, wenn sie sich in den letzten Minuten ihres Lebens bewegte. Sie schwor sich, an nichts zu denken als an erlösenden Schlaf. Die Kinder wären ohne sie besser dran, die Großeltern würden für sie sorgen. Ob sie noch einen Brief schreiben sollte? Ach, auch egal. Zusammen mit einem großen Glas Whiskey aus Ingmars Barschrank
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