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Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Titel: Das Kind, das tötet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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brachte, und verfolgte jede seiner Bewegungen. Außer dem Tisch und einem Stuhl an jeder Seite war nichts und niemand in der Zelle.
    Ruhe bewahren. Diese Worte hielten ihn für einen kurzen Moment im Zaum. Aber als Blake sich zu Leo umdrehte und lächelte – lächelte, so als freute er sich wirklich, ihn zu sehen –, spürte Leo, wie die Wut mit ihm durchging.
    Er stürzte los. Er spürte eine Berührung an der Schulter – einen kräftigen Griff –, aber er hatte sich schon losgerissen, war am Tisch vorbei und an einem Stuhl und stürzte sich auf sein Opfer, das jetzt am Boden kauerte. Er packte Blake am Hals und drückte ihn gegen die Wand. Er roch Schweiß und abgestandenen Rauch, und dieser Geruch war für ihn wie der Geschmack von Blut.
    »Wo ist meine Tochter?!« Er drückte zu, und Blakes Augen quollen hervor. »Wo ist sie? Ich schwöre Ihnen, wenn Sie ihr auch nur ein Haar gekrümmt haben, dann mach ich Sie …«
    Grobe, kräftige Hände an jedem Arm zerrten an ihm, bis sich sein Griff löste. Eine weitere um seine Taille zog so lange, bis Leo nach hinten fiel. Er suchte Blakes Gesicht, sah aber nur das des Polizisten und des Inspectors und spürte, wie er rückwärts gegen etwas Hartes prallte. Er bemerkte kaum, dass er sich den Kopf stieß. Er drängte wieder nach vorn, aber etwas Massiges auf seiner Brust machte ihm jede Bewegung unmöglich: ein Unterarm, so groß wie Leos Unterschenkel.
    »Mr. Curtice!« Detective Inspector Mathers kam hinter der Schulter seines Kollegen hervor. Die beiden sahen Leo an und verstellten ihm die Sicht auf den Feigling in der Ecke. »Sehen Sie mich an. Sehen Sie mich an!« Widerwillig sah Leo die beiden an. Mathers brummte. »Ruhig, hab ich gesagt. Ich hab doch gesagt, wir müssen Ruhe bewahren!«
    Leo versuchte sich loszureißen. Der Polizist hielt ihn fest.
    »Okay!« Leo zog noch einmal, aber diesmal weniger energisch. Wie eine Mauer standen die Polizisten vor ihm, und er hätte alles versprochen, um einen Blick auf den Mann dahinter zu erhaschen. »Okay«, sagte er noch einmal und sah dem Inspector diesmal in die Augen. Allmählich löste sich der Druck auf seiner Brust. Der Polizist ging ein Stück zurück, aber der Inspector blieb stehen.
    »Ganz ruhig!« Er hob einen Finger. »Verstanden?«
    Leo nickte. Er ging ein Stück zur Seite, und da war er: Daniels Stiefvater, die Zigarettenschachtel zerknüllt zu seinen Füßen und die nikotingelben Finger am Hals, den er massierte. Der Mann röchelte. Er hustete und spuckte. Er sah Leo wütend an, und Leo funkelte zurück.
    »Setzen Sie sich«, sagte der Detective Inspector. »Sie beide.« Er zog Leo zu einem Stuhl. Der Polizist verfuhr ebenso mit Blake, nur weniger zimperlich.
    »He!« Blake wehrte sich, aber der Polizist drückte ihn nach unten und schob den Stuhl vor, so dass Blake mit dem Bauch gegen die Tischkante stieß. Er baute sich hinter Blakes Schulter auf. Leo spürte, dass der Detective Inspector hinter seiner stand.
    »Ich könnte Sie fertigmachen, wissen Sie«, stieß Blake röchelnd hervor. »Sie beide, Sie und ihn.« Er zeigte mit dem Daumen auf Leo, sprach aber über seine Schulter mit dem Wachtmeister. »Das war Gewaltanwendung. Wenn Sie mich noch einmal anfassen, zeig ich Sie wegen Körperverletzung an.«
    Der Polizist erwiderte nichts. Er blickte starr an die gegenüberliegende Wand.
    »Beruhigen Sie sich, Mr. Blake«, sagte Mathers. »Ich glaube nicht, dass wir jetzt schon auf die formalen Anklagepunkte zu sprechen kommen wollen, oder?«
    Blake sah wieder nach vorn. Er machte ein finsteres Gesicht.
    »Gut. Worum es aktuell geht. Wir hören zu. Und Mr. Curtice hört Ihnen auch zu.«
    Blake blickte vorsichtig zu Leo, wollte ihm in die Augen sehen. Er leckte sich über die Lippen. Er wollte den Oberkörper vorbeugen, aber irgendetwas in Leos Miene hielt ihn dann doch davon ab. Er stützte die Ellbogen auf den Tisch und spreizte die Finger.
    »Curtice«, sagte Blake. »Leo.« Noch einmal befeuchtete er seine Lippen. »Die Drohbriefe waren von mir. Okay? Ich geb’s zu. Aber das mit Ihrer Tochter jetzt … Damit hab ich nichts am Hut, ich schwöre es.«
    Leo bewegte sich nicht.
    »Bitte«, sagte Blake und beugte sich diesmal doch vor. »Das müssen Sie denen sagen. Sie müssen sie davon überzeugen, dass ich die Wahrheit sage. Die hören mir nämlich nicht zu. Die hören mir einfach nicht zu. Also, Sie wissen ja, wie die so ticken, stimmt’s? Sie müssen sich ja die ganze Zeit mit denen

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