Das Knistern in den Sternen: Roman (German Edition)
himmelblauen Augen richten sich auf mich, und ich kann nicht schnell genug ein triumphierendes Grinsen verbergen. »Ich polier dir die Fresse!«, kündigt Frikki gelassen an und steht auf.
Du lieber Mann, und wie er mich vermöbelt hat! Meine Nase blutete, und ich bekam überall blaue Flecken. Ja, ich war so übel zugerichtet, dass die Partisanen sich an die Ruinen von Stalingrad nach monatelangem Beschuss durch die deutsche Artillerie erinnert fühlten.
Der Vorfall sprach sich rasch herum. Ich meine nicht meinen schrecklich geschundenen Körper, der nur noch zu Gunnhildur hinaufgetragen werden und mit einem ergreifenden Abschiedswort auf den Lippen seinen Geist in ihren Armen aushauchen wollte, sondern Frikkis Niederlage gegen Petur. Der ganze Block summte vor schadenfrohem Getuschel. Tage voll Peturs Siegesrausch vergehen, Frikki ist verschwunden, als sei er durch seine Niederlage wie vom Erdboden verschluckt. Der Mai schreitet voran, ein undeutliches Schauern durchläuft die kahlen Bäume, das Gras treibt zögernd das erste Grün aus, die Sonne breitet sich über den Himmel – da legt sich Frikkis Hand auf meine Schulter und saugt mir sämtliche Kraft aus dem Körper.
Es ist eines Morgens in aller Frühe, nur wir beide sind auf den Beinen. Ich mache mich auf das Schlimmste gefasst, aber während seiner Abwesenheit hat sich der üble Schläger kräftig gewandelt. Anstatt über mich herzufallen, spricht Frikki freundlich und respektvoll mit mir. Er benutzt sogar solch wassergekämmte Worte wie ›bereuen‹. Er bereue es, mich geschlagen zu haben, nicht nur das letzte Mal, als mein geschundener Leib an Stalingrad erinnerte, sondern auch die vorangegangenen Monate und Jahre. Jedes einzelne Mal, wenn er mich gequält und geprügelt habe. Auch die eine Sache, wo er mich gezwungen habe, auf einem Bein um den Block zu hüpfen und dabei das Vaterunser mit Flüchen zu durchsetzen: Vater unser, du verdammtes Arschloch im Himmel. Oder als er meine Nase, meine Ohren und meinen Mund mit seiner Spucke füllte, oder als er … oder … Es war sicher eine halbstündige Litanei, und Frikki war die ganze Zeit so lieb und butterweich und reuevoll, sein Mund so voller sauber gewaschener und gekämmter Wörter, dass es mir fast auf der Zunge lag, zu sagen: He, hör auf damit und hau mir lieber eine rein! Ich weiß nämlich nicht, wen ich schlimmer finde, den Frikki von heute oder den von vor einer Woche. Aber anstatt mir eine runterzuhauen, will er mich begleiten, riesengroß und schüchtern fragt er mich, ob wir Freunde sein könnten. Ich habe so viel Schiss, dass ich darauf gar nichts antworten kann. Frikki scheint auch nicht sonderlich auf eine Antwort erpicht zu sein. Wir gehen in Richtung Baumreihe, und er redet und redet, und hinter den Bäumen stöhnt die Miklabraut unter dem Verkehr. Zwischen den Bäumen bleibt Frikki stehen und kniet sich hin. Gedankenverloren fängt er an, in der Erde zu wühlen, sagt, er habe seit längerem das Gefühl, dass ich der Einzige sei, der ihn verstehen könne. Der Einzige, der ihm verzeihen würde. Ich wäre einfach so, und dann erwähnt er meine Mutter.
Ich zucke zusammen, als hätte mich eine Kugel getroffen, denn wer von einer Gewehrkugel getroffen wird, zuckt zusammen.
»Ich hätte tierisch geheult, wenn meine Mutti gestorben wäre«, sagt Frikki leise, »und trotzdem habe ich dich immer wieder gepiesackt und verdroschen. Ich war ein Riesenarschloch.« Ich murmle etwas, das »Ach was, schon okay« heißen könnte. Jedenfalls schüttelt er den Kopf und antwortet: »Nein, nein, das ist überhaupt nicht okay. Aber glaubst du, du könntest mir trotzdem verzeihen, obwohl ich es nicht verdient habe? Können wir nicht Freunde sein? Ich meine, du musst doch noch oft an sie denken, oder nicht?« Frikki hat aufgehört, in der Erde zu graben. Er sieht mich direkt an, milde wie Jesus mit seinen himmelblauen Augen. Ganz langsam schüttelt er den Kopf: »Eine tote Mutter zu haben, schrecklich! Dass die eigene Mutter in der Erde liegt wie ein toter Vogel!« Langsam, behutsam und mit der Magie eines Zauberers steckt Frikki die Hand in das Loch, das er gegraben hat, und zieht einen kleinen Vogel daraus hervor. »Ich habe ihn vor ein paar Monaten hier verbuddelt, hatte ihm den Hals umgedreht«, vertraut mir Frikki an. »Und guck ihn dir jetzt an! Jetzt ist er nur noch ekelhaft. Riech mal, wie er stinkt! Und sieh mal hier, guck, die Augen sind ihm ausgefressen worden. Stell dir mal vor, die Würmer haben
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