Das Knochenhaus
der den Blick standhaft erwiderte.
»Ich bin überzeugt, dass dein Anliegen gerecht ist«, erklärte der König und wandte sich anschließend an einen der Akolythen. »Gib diesem Mann fünfzig Denare aus der Schatzkammer. Dann schick den Meister der Schriftrollen mit zwei Soldaten zum Arbeitgeber dieses Mannes, um von ihm die gleiche Summe einzusammeln.«
Der Akolyth nahm seine Wachstafel zur Hand. Mit einem Griffel aus Rosenholz protokollierte er das Urteil des Königs auf dem weichen Wachs. Danach kamen weitere Bittsteller nach vorne: Einige wollten einen Richterspruch erwirken; andere ersuchten um eine Entscheidung oder um die Kenntnis, wann die günstigste Zeit sei, um irgendein Unterfangen zu beginnen; wieder andere baten um Heilung diverser Leiden. Jeder brachte eine Gabe, die dem stetig wachsenden Haufen an Geschenken hinzugefügt wurde; desgleichen hielt der Akolyth jedes Urteil und jede Entscheidung pflichtbewusst auf der Tafel fest.
Auf einmal – die Reihen der Bittsteller hatten sich bereits gelichtet – kam im hinteren Bereich der Menschenansammlung Unruhe auf. Turms, der sich mitten in der Verkündung eines Bescheides befand, verspürte eine allgemeine Aufgeregtheit, die sich wellenförmig durch die verbliebene Menge fortbewegte. Rasch beendete er seine Erklärung an den Bittsteller, wandte sich von ihm ab und richtete das Wort an alle Anwesenden. »Was geschieht hier? Wieso gib es dieses ungebührliche Gemurmel?«
»Jemand ist gekommen, verehrter König«, antwortete einer der Untertanen in seiner Nähe. »Ein Fremder. Er bittet darum, dich zu sehen.«
»Ein Fremder ist gekommen?«, fragte Turms erstaunt; seine Finger tasteten nach dem Kieselstein, der sich in seinem Ärmel befand. »Macht Platz und lasst ihn vor mir erscheinen!«
Auf den Befehl des Königs hin teilte sich die Versammlung, um den Neuankömmling durchzulassen.
Turms sah, wie ein großer Mann auf ihn zuschritt, der eine seltsame eintönige Bekleidung trug, die seinen langen Körper zu halbieren schien – oben weiß und unten schwarz. Doch das Gesicht war offen und freundlich – und obendrein war es ein Gesicht, das er kannte. »Seht!«, rief König Turms und hob die Hände, um seinen Ausruf zu unterstreichen. »Mein ausländischer Besucher ist angekommen.«
Der Fremde sank auf ein Knie, erhob sich dann wieder und bemerkte sofort, dass er von seinem Freund wiedererkannt wurde.
»Arturos! Bist du es wirklich?«
»Dein Anblick erfreut mein Herz und lässt meinen Geist in die Höhe steigen«, antwortete Arthur Flinders-Petrie und gab damit eine uralte Begrüßungsformel wieder. »Ich habe mich danach gesehnt, dich erneut zu sehen, mein verehrter König.«
Turms wandte sich an die Allgemeinheit. »Mein Volk! Ich stelle euch meinen Freund Arturos vor. Sorgt dafür, dass er sich wohlfühlt unter euch, solange er sich hier bei uns aufhält.«
Ringsum erklang ein zustimmendes Murmeln. Einige riefen Grußworte, die Arthur in gleicher Weise zurückgab.
Turms drehte sich zu einem der Akolythen um. »Geleite meinen geschätzten Gast zum königlichen Haus und weise meine Hausdiener an, es ihm behaglich zu machen und ihm Erfrischungen zu servieren«, befahl er und wandte sich dann wieder Arthur zu. »Die heutige Audienz ist fast zu Ende. Ich werde mich bald zu dir gesellen.«
»Wie es dir geziemt«, erwiderte Arthur. »Ich möchte keineswegs deine heiligen Aufgaben unterbrechen.«
Nach diesen Worten führte der Akolyth den Gast des Königs fort und geleitete ihn die irdene Rampe hinauf zum königlichen Haus, wo seine Ankunft bereits angekündigt worden war.
»Arturos! Du bist zurückgekehrt!«, rief der Verwalter des königlichen Hauses, als er auf den breiten Vorbau hinausstürmte. »Im Namen meines Königs und des ganzen Volkes von Velathri entbiete ich dir Frieden und heiße dich willkommen.«
»Es erfreut mein Herz, dich zu erblicken, Pacha«, erwiderte Arthur, der sich in eine lange nicht mehr benutzte Sprache wieder einzugewöhnen versuchte. »Ich hatte gehofft, früher zurückzukehren, doch ...« Er zuckte vielsagend mit den Schultern.
»Das Leben ist ein beständiges Chaos für die Menschen in der Welt«, meinte der Hauswirtschafter des Königs und geleitete den Gast ins königliche Haus. »Aber jetzt bist du hier, und ich hoffe sehr, dass du lange genug bleibst, um Tyrrhenia zu erlauben, dein Gemüt zu besänftigen.« Er legte einen Finger auf seine Lippen und legte eine kleine Pause ein, bevor er fortfuhr: »Ich glaube,
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