Das Knochenhaus
bin.« Er beugte sich vor. »Ich habe eine Ehefrau.«
»Du bist verheiratet!«
»So ist es.«
»Aber wo ist sie?«
»Immer noch auf dem Schiff –«
»Was!«, rief Turms aus. »Du lässt sie wie ein Frachtbündel auf dem Deck eines stinkenden Schiffes warten? Was bist du nur für ein schlechter, gedanken-und gefühlloser Ehemann!«
»Bitte, Turms, ich wollte nicht respektlos sein – weder zu dir noch zu meiner liebwerten Frau. In Wahrheit war ich mir unsicher, wie mein Empfang ausfallen würde.«
»Ich hoffe doch, du weißt, dass du unserer Freundschaft trauen kannst«, entgegnete Turms. »Meine Wertschätzung dir gegenüber hat sich nie geändert.«
»An dir oder deiner Freundschaft habe ich in keiner Weise gezweifelt«, beteuerte Arthur. »Glaub mir – auf einen solchen Gedanken bin ich niemals gekommen.«
»Aber?«
»Ich wollte zunächst sehen, wie die Dinge hier stehen würden.«
»Ah!« Turms nickte anerkennend. »Sehr klug. Ja, jetzt entsinne ich mich: Zu jener Zeit, als du uns zuletzt verlassen hast, bedrohten die Latiner unsere Grenzen. Du hättest zu einem Ort zurückkehren können, der sich sehr von dem unterscheidet, den du zuletzt besucht hast.« Mit seiner Hand vollführte er eine lobende Geste in der Luft. »Ich preise deine Vorsicht.«
Pacha trat nun auf sie zu. In seinem Schlepptau war ein Diener, der ein bronzenes Tablett mit Silberpokalen und einem erlesenen gläsernen Krug hereintrug, in dem sich eine helle bernsteinfarbene Flüssigkeit befand. Außerdem gab es Schalen mit honigsüßen Mandeln. Der Diener stellte das Tablett auf ein dreibeiniges Gestell und ging rückwärts fort, während der Hausverwalter in einen der Pokale Wein einschenkte, einen Schluck davon nahm und anschließend dem König den Kelch überreichte. Dieses Prozedere wiederholte Pacha für den Gast und zog sich dann leise zurück.
»Ich bin froh zu sehen, dass jetzt alles friedlich zu sein scheint. Das Reich wächst und gedeiht unter deiner Herrschaft.«
»Derzeit ja. Die kriegerischen Latiner sind gezähmt oder zumindest entmutigt worden. Die schlimmsten Aufrührer hat man gefangen, vor Gericht gestellt und entweder hingerichtet oder ins Exil geschickt. Die Umbrier – ein alles in allem vernünftigerer Stamm – haben die Verwaltung der Stadt Ruma übernommen. Gegenwärtig brauchst du nicht zu fürchten, in Kämpfe von Krieg führenden Völkern verwickelt zu werden. Der Friede, diese stets leicht zu zerstörende Blume, blüht in Hülle und Fülle im ganzen Land.«
»Da dies der Weg aller Dinge ist«, sagte Arthur und stand wieder auf. »Ich werde meiner Frau Bescheid geben. Sie wird von ganzem Herzen froh sein, die beengten Räumlichkeiten des Schiffes verlassen zu können.« Arthurs Stimme wurde ernst. »Xian-Li ist der Grund, weshalb ich gekommen bin. Mein Frau ist schwanger, weißt du ...«
Ein Blick ins Gesicht seines Gastes genügte, und Turms wusste, dass nicht alles in Ordnung war. »Was ein freudiger Anlass sein sollte, hat sich für dich in irgendeiner Weise verdüstert. Ich kann es sehen. Was ist geschehen?«
»Xian-Li hat eine schwierige Zeit durchgemacht«, sagte Arthur bloß. »Ich bin zu dir gekommen, um Rat zu suchen. Ich habe ihr von dem Können etruskischer Ärzte erzählt, und sie ist sehr darauf gespannt, dich zu treffen. Ich gehe sie jetzt holen.«
»Du wirst nichts dergleichen tun, mein Freund«, widersprach ihm der König. »Ich werde Pacha mit meinen Trägern zum Schiff schicken, und sie werden deine Frau in meiner Sänfte herbringen.« Er hob seine Hand und rief seinen Hausverwalter herbei. »Arturos’ Frau wartet an Bord des Schiffes, das im Hafen liegt. Bring sofort meine Sänfte zu ihr und hole sie hierher – aber achte darauf, dass die Träger sie mit äußerster Sorgfalt behandeln. Die Dame ist schwanger.«
»Wird sofort erledigt, mein König.« Pacha verbeugte sich und eilte fort. Bald schon war zu hören, wie seine Rufe, mit denen er die Träger zur Eile antrieb, den Berghang hinabhallten.
Während sie auf die Ankunft von Xian-Li warteten, saßen der König und sein Gast beisammen, sprachen miteinander und tranken Wein. Sie erneuerten die alten Bande der Freundschaft und schwelgten in Erinnerungen: Ihre Gedanken übersprangen die vielen dazwischenliegenden Jahre und schweiften zurück zu jener Zeit, als Turms nichts weiter als ein einfacher Prinz – lediglich der Dritte in der Thronfolge – und Arthur sein Schüler war. Damals hatte König Velnath seinem Sohn die Aufgabe
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