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Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman

Titel: Das Koenigreich jenseits der Wellen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Hunt
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undenkbar gewesen wäre, eine Zeit, in der es keine Armut gab und das Diktat der Vernunft der einzige Herrscher war, vor dem die Menschen das Knie beugten.«
    »Du meinst die verlorene Stadt?«
    Der Vater stieß einen Schwall Nuschelrauch aus. Er wirkte beinahe zufrieden. »Ein verlorenes Zeitalter, meine Kleine. Ein Zeitalter der Vernunft. Diese Camlantiker lassen sich nicht fassen. In unseren Zeiten lässt sich der Ort selbst fast so schwer finden wie eine ihrer edlen Ideen auf den Bänken des Parlaments. Die meisten Menschen glauben nicht einmal, dass es diese Zeiten gab, aber wir tun es, nicht wahr, meine Kleine?«
    »Ja, Papa.«
    »Eines Tages werden wir die Ruinen dieser Stadt finden.« Er deutete zum Himmel hinauf. »Dort oben, dort werden wir sie entdecken. Und dann werden wir ein kleines Stück davon nach Jackals bringen, du und ich. Ein kleines Stück Vernunft, um Ruhe in eine verrückte Welt zu bringen. Du kannst jetzt wieder ins Warme zurückgehen. Ich möchte noch eine Weile am Grab deiner Mutter sitzen.«
    »Lass Papa nicht gehen!«, krächzte Amelia dem Trugbild entgegen, und ihre Hände krallten sich in den Sand. »Siehst du nicht, wie sich seine Jacke ausbeult? Lass ihn nicht in den Garten gehen. Er war im oberen Stockwerk an seinem Schreibtisch, und jetzt hat er die verdammte Pistole in der Tasche.«

    Ein Schuss ertönte, und die hitzebedingte Vision löste sich in einem Wirbel Federn auf, als die Hundsvögel, die sie von der Kuppe einer Düne aus beobachtet hatten, auf Amelias unerwarteten Wutschrei hin in den Himmel aufflogen.
    Amelia rieb sich die Sandkruste von den trockenen, verschwollenen Augen. In ihrem ausgetrockneten Körper war nicht einmal mehr genug Flüssigkeit für Tränen. Laut dem Gesetz des Parlaments konnten Schulden nicht von einer Generation zur anderen weitergegeben werden. Träume hingegen schon.
    Aus der Mauer der flimmernden Hitze löste sich eine weitere, verschwommene Gestalt, die allmählich feste Form annahm.
    »Geh weg«, keuchte Amelia rau in Richtung der Erscheinung. »Lass mich in Ruhe, damit ich in Frieden sterben kann. Ich habe genug von der Vergangenheit.«
    Aber die Gestalt ging nicht weg. Sie wurde mit jedem Schritt klarer zu erkennen. Heiliger Zirkel! Diesmal war es keine Vision. Amelia griff nach ihrem Gewehr, aber die Brown Bess war nicht mehr da. Sie konnte sich nicht einmal daran erinnern, wann sie die billige, aber verlässliche Waffe ihres Gewichtes wegen weggeworfen hatte. Ihr Messer hatte sie jedoch behalten, wegen der Schlangen, die sich nachts, von ihrer Körperwärme angezogen, an sie heranschlichen. Aber auch das Messer erschien jetzt so schwer, eine stählerne Bürde, die sie nicht einmal aus ihrem Gürtel zu ziehen vermochte.
    Der Teil von Amelias Hirn, der sich noch nicht völlig
abgeschaltet hatte, erkannte nun, was ihr aus dem Hitzeflimmern entgegenkam. Der wassergefüllte Buckel am Rücken der Fremden war unter den Wüstenstämmen nicht besonders auffällig, da die meisten dieser Menschen sich auf eine solche Weise ihrer Umgebung angepasst hatten. Rote Gewänder flatterten hinter der kleinen Frau her, und ein Gefolge von Dienern nahte hinter ihr heran, von denen sich jeder in einem ganz eigenen Tanz drehte und bewegte.
    »Hexe der Dünen«, kam es knirschend aus Amelias Kehle. »Hexe!«
    »Gleichgesinnte erkennen einander«, kicherte die Gestalt. »Ich reise nicht mit deiner Vergangenheit, meine Kleine. Ich reise mit deiner Zukunft.«
    Die Professorin taumelte nach vorn und ergab sich der Umarmung der Wüste.
     
    Als Amelia erwachte, lag sie nicht länger auf Sand, sondern auf dem weichen Farn des Oberländer Vorgebirges. Der Boden war feucht, sogar matschig von echtem Regen. Jackalianischem Regen. Offenbar lag die Grenze nach Cassarabien einige Tage hinter ihr. Die Hexe saß an Amelias Seite, ihr Gefolge hatte sich in einer schweigenden, horizontalen Linie aufgestellt, von ihrem Glanz gebannt und ohnehin kaum mehr als Untote, wenn die Geschichten, die Amelia gehört hatte, auch nur zur Hälfte wahr waren. Es waren keine Kamele in der Nähe, auch keine Sandfüßler, die als Erklärung dafür hätten herhalten können, wie sie so weit gereist waren.
Nichts ließ erkennen, wie lange Amelia bewusstlos gewesen war. Ihre Reise nach Süden zum Fürstengrab hatte neun zirkelverdammte Wochen gedauert.
    »Warum?«
    Die Hexe, die sich hin und her gewiegt hatte und ein Zwiegespräch mit sich selbst geführt zu haben schien, hielt kurz in dem verrückten

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