Laura Leander 05 - Laura und der Ring der Feuerschlange
P rolog Die
fremde Frau
s geschah in einer Mittsommernacht, viele Jahre vor Laura Leanders Geburt. Am wolkenlosen Himmel stand hell der Mond. Die Luft war mild, und alles war ruhig. Nur ein sanfter Windhauch strich durch das Schilf am Rande des Drudensees. Das leise Rauschen der Blätter klang wie das Gewisper aufgeregter Nachtgeister über die spiegelglatte Wasserfläche, die im silbrigen Mondlicht glänzte.
Die kleine Insel ruhte friedlich inmitten des Sees. Die Büsche und Bäume, die sich dunkel gegen den Himmel abzeichneten, wiegten sich sacht in der nächtlichen Brise. Es waren keine Anzeichen von Leben zu entdecken. Weder Mensch noch Tier ließen sich sehen. Dafür stieg eine hell leuchtende Säule aus reinem Licht aus dem Zentrum des Eilands empor, die bis zum Firmament zu reichen schien. Diese magische Pforte war jedoch nur von den wenigen Eingeweihten zu erkennen, die um das große Geheimnis wussten, das der menschliche Verstand nicht zu erfassen vermag. Allen anderen, die nichts von der fantastischen Welt ahnten, die hinter der Oberfläche der Dinge verborgen lag, musste die Insel auch in dieser Nacht völlig unverändert erscheinen. Schließlich kannten sie weder den geheimen Weg, der den Menschenstern seit Anfang der Zeiten mit seinem Schwestergestirn verband, noch wussten sie, dass dieser nur in vier ganz besonderen Nächten des Jahres beschritten werden konnte. Doch selbst die Eingeweihten ahnten nichts von dem, was in dieser Mittsommernacht geschehen würde, und so wurde nicht ein Geschöpf Zeuge der Ereignisse, die das Schicksal von Laura Leander entscheidend beeinflussen sollten.
Die Nacht neigte sich bereits ihrem Ende zu, als eine Frau aus der Lichtsäule trat, die in die Unendlichkeit zu fuhren schien. Sie war jung, und ihre schlanke Gestalt war in ein einfaches Gewand aus braunem Leinen gehüllt. Blondes Haar umrahmte ihr Gesicht und fiel bis auf die Schultern hinab. Analina verharrte einen Moment und kniff die Augen zusammen. Für kurze Zeit konnte sie nichts erkennen, denn sie war wie geblendet von dem gleißenden Licht im Tunnel, der sie auf die Erde geleitet hatte. Als sie endlich gewahrte, wo sie sich befand, dankte sie den Mächten des Lichts im Stillen. Die Gefahren der vergangenen Stunden lagen nun hinter ihr. Nur mit knapper Not war sie den Drachen entkommen. Um ein Haar hätte deren rasender Anführer, Gurgulius der Allesverschlinger, sie erwischt!
Analina schluckte und versuchte die entsetzlichen Erinnerungen aus ihrem Gedächtnis zu verbannen. Stattdessen betrachtete sie ihre Umgebung und damit die Welt, die von nun an ihre Heimat sein würde. Denn nach Aventerra würde sie nicht mehr zurückkehren können.
Nie mehr!
Es sei denn, sie wollte Bekanntschaft mit den Reißzähnen dieses doppelköpfigen Ungeheuers machen! Zudem hatte sie gegen die uralten Gesetze verstoßen und damit ihr Recht auf eine Rückkehr verwirkt.
Nicht weit von der Insel entfernt erhoben sich die von Efeu überrankten Mauern einer Burg. Das Gebäude mit dem zinnenbewehrten Turm an der Ostseite war Analina bestens vertraut. Bei früheren Reisen zum Menschenstern hatte sie Burg Ravenstein mehrmals besucht und wusste deshalb, dass dort Verbündete lebten.
Aber auch Feinde hatten sich dort eingeschlichen!
Dort würde sie also keinen Unterschlupf finden. Was allerdings auch gar nicht in ihrer Absicht lag. Sie hatte ihre Flucht aus dem Reich der Mythen ja sorgfältig geplant und wusste daher, an wen sie sich wenden konnte.
Bei dem Gedanken an den Mann, dem sie ihr ganzes Vertrauen schenkte, lächelte Analina zärtlich. Michael würde sicherlich überrascht sein, sie so schnell wiederzusehen. Doch dann würde seine Freude die Oberhand gewinnen.
Das jedenfalls hoffte sie.
Schließlich kannte er weder ihren richtigen Namen noch ihre Herkunft. All das hatte Analina ihm verschwiegen, um ihn nicht unnötig in Gefahr zu bringen. Sie würde das große Geheimnis auch weiterhin wahren müssen, selbst wenn es ihr das Leben auf dem Menschenstern erschwerte.
Wieder seufzte Analina leise. Dann aber lächelte sie. Mit der Zeit würde sie sich schon an die fremde Welt gewöhnen. An die seltsamen Sitten und Gebräuche der Menschen. Was blieb ihr auch anderes übrig? Dem Zorn der Drachen jedenfalls wollte sie sich nicht noch einmal aussetzen.
Andernfalls hätte sie dieses schreckliche Wesen sicher nicht um Hilfe gebeten! Aber leider hatte sie keinen anderen Ausweg gewusst. Es war die einzige Möglichkeit gewesen, ihr Leben
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