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Das kommt davon, wenn man verreist

Das kommt davon, wenn man verreist

Titel: Das kommt davon, wenn man verreist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Noack
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kalten Dusche.
    Sixten träumte von einem Bier, so kalt, daß es
zischte, ach was, so eisig, daß man es lutschen mußte.
    Für seine schwerfälligen Verhältnisse schäumte
er geradezu vor Übermut. Sie studierten die Namensschilder am Eingang des
Hauses, vor dem sie der Fahrer abgesetzt hatte. In der vierten Etage links
fanden sie »Herwart/Dittler«.
    »Das ist er. Aber wer ist Dittler?«
    »Wahrscheinlich seine Ilonka.«
    Sixten schoß seinen Zeigefinger fünfmal in den
Klingelknopf: »Das war unser Zeichen damals —« und schaute am Haus hoch. Er
erwartete wohl, daß sein Freund Paul im selben Augenblick ein Fenster aufreißen
und an einem Schirm hängend heruntersegeln würde.
    »Weißt du«, sagte er, als sie die Treppen
hinaufstiegen, »die Rallye ist mir Wurscht. Aber der Abend heute mit Pauli...
auf den freu ich mich wie blöd.«
    Paul Herwart empfing sie in der Tür. Sixten
klatschte ihm seine Begrüßungsarme so heftig auf den Rücken, daß ein
hinzukommendes Mädchen staunend feststellte: »Pauli, du klingst innen ganz
hohl.« Dabei trat sie Plumpsack versehentlich auf die Zotteln, er heulte
wehklagend in die Höhe.
    Das Mädchen kniete nieder, um den Getretenen zu
trösten, der Getretene zeigte ihrem Mitleid warnend die Zähne.
    »Er ist völlig mit den Nerven runter«,
entschuldigte Friederike sein Verhalten, »es war seine erste Reise in einem
Backofen.«
    Das Mädchen gab ihr die Hand. »Ich bin Lonka.
Grüß dich.«
    Unter dem Namen Ilonka Dittler hatte sie sich
ein ganz anderes Mädchen vorgestellt — molliger, löckchenhafter, mehr
schwäbisches Paprika.
    Lonka war ein sportlicher Typ. Sie hatte ein
herzliches Lachen voll unregelmäßiger Zähne und einen zuverlässigen Handschlag.
    Und sie hatten zu Sixtens und Riekes stummer
Enttäuschung die ganze Wohnung voll Besuch.
    »Alles Rallyeteilnehmer«, erklärte sie. »Ich
stell’ euch jetzt vor.« Sie hatte Mühe, sich gegen das Geschnatter
durchzusetzen. »He — seid’s doch mal — Kruzinesen — könnt ihr nicht zwei
Minuten die Goschen halten? Ich möchte euch mit Friederike Birkow bekannt
machen und mit Sixten Förster, Pauls Intimspezi aus unheimlich männlichen
Berliner Tagen.«
    Lonka führte Rieke von Sitzgruppe zu Stehgruppe.
Man sah gestört auf, lächelte flüchtig und kehrte zu seinem Gespräch zurück.
    Es war doch immer wieder ein zu gemütliches
Gefühl, als bedeutungsloser Fremder in eine geschlossene Gesellschaft
einzudringen, stellte Rieke fest und hatte nun auch Lonka verloren, die neue
Gäste begrüßen mußte.
    Paul sah sie verloren in der Gegend stehen,
links ein Bier und rechts den schlafenden Plumpsack an der Leine und zog einen
jungen Mann aus einem Gespräch mit einem andern jungen Mann.
    »Geh, Bussi, kümmer dich ein bißl um den langen
Fritz da aus Preußen«, wobei er auf Rieke zeigte.
    So kam Friederike zu Bussi Laube und seinen
Aufmerksamkeiten. Er stand plötzlich vor ihr mit einer Nickelbrille vom
Flohmarkt auf der Himmelfahrtsnase, Haaren wie Scheitelgardinen und einem
Grinsen, das Vertrautheit um sich streute.
    »Ich darf mich um dich kümmern, Friederike.«
     
    Von nun an teilten sich Bussi und Rieke einen
Stuhl und ein Bierglas, und Bussi packte aus. »Damit du weißt, was hier
gespielt wird. Also: Die meisten anwesenden Figuren nehmen schon zum dritten-
oder viertenmal an unserer Rallye teil. Anfangs waren das lauter Liebespaare und
ihre engsten Freunde. Inzwischen treffen sie sich nur noch einmal im Jahr —
eben zu dieser Rallye, und die Hälfte von ihnen schaut sich nicht mehr mit dem
Hintern an. So wenig Verlaß ist auf Gefühle. Ein Glück, daß immer wieder neue
hinzukommen — so wie du.«
    »Ich bin gar nicht richtig eingeladen, bloß so
mitgefahren«, sagte Rieke.
    Bussi beschaute sich nun den Plumpsack.
    »Ist der auch aus Berlin gekommen? Ja? Hat er
schon ein Glas?«
    »Nein.«
    »Was trinkt er? Bier? Wasser? Milch?«
    Auf dem Wege zur Küche mußten sie ein
Verkehrshindernis umrunden, das den vorderen Flur ganz ausfüllte; eine Gruppe
junger Leute, geschart um eine alles beherrschende weibliche Stimme: »Es ist
wahnsinnig, ich sag’s euch, echt wahnsinnig, was in unserer Gegend geklaut
wird. Es gehört geradezu zum Image, eingebrochen worden zu sein. Meine Mutter
war schon ganz unruhig, weil man uns bisher übergangen hatte. Die Nachbarn
konnten ja denken, bei uns is nix zu holen.«
    Zu der Stimme im unterkühlten Partyleierton
gehörte ein magerer Rücken mit hochangesetzten Hüften und

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