Das kritische Finanzlexikon
Geld- und Finanzkrisen der letzten Zeit erfahren durften, meilenweit entfernt. Ein Blick in das Kreditwesengesetz, auch »Grundgesetz« des Bankenwesens genannt, gibt über die Gründe, wie es dazu kommen konnte, natürlich keinen Aufschluss. Aber man ahnt, dass Gesetzgeber und Geldindustrie in einer konzertierten Aktion ein übles FinanzGebräu angerührt haben.
Zunächst erscheint auch im Kreditwesengesetz eine relativ einfache Definition des Begriffs Bank (man kann auch Kreditinstitut sagen). Es heißt dort in § 1 lapidar: »Kreditinstitute sind Unternehmen, die Bankgeschäfte betreiben.« Dann folgt eine immerhin noch recht gut nachvollziehbare Auflistung von Bankgeschäften (Entgegennahme von Einlagen, Gewährung von Darlehen, Verwahrung von Wertpapieren etc.). Früher war es damit gut. Dann schlug die Finanzindustrie zu.
Immer neue Geschäftsfelder und Tätigkeitsbereiche für Unternehmen im Finanzsektor taten sich auf. Das Kreditwesengesetz wurde ständig den neuen Entwicklungen angepasst. Der 1998 neu gefasste Absatz 1a beispielsweise liefert eine umfassende Erläuterung des Begriffs »Finanzdienstleistungsinstitute«. Es folgt – wir befinden uns immer noch bei § 1 – über sieben eng bedruckte DIN-A-4-Seiten hinweg eine nicht enden wollende Auflistung von sogenannten Finanzprodukten und Finanzunternehmen (Finanzholding-Gesellschaften, Mutterfinanzholding-Gesellschaften, Finanzkonglomerat etc.).
Das (klassische) Bankgeschäft auf eine halbe Seite platt gedrückt, das (moderne) Finanzgeschäft in epischer Breite ausgeführt: Dies ist der Finanz-Mainstream, denn eine abartige Entwicklung bei den Finanzvermögen benötigt einen entsprechenden gesetzlichen Rahmen. Und dieser Rahmen ist so gestaltet wie die aus ihm erwachsenden Produkte – verschachtelt, komplex und intransparent. Ein Dschungel, der, wenn überhaupt, nur von Fachleuten durchdrungen werden kann. Die Produkte allerdings, die sollen wir alle kaufen. Und auch noch verstehen.
Weil selbst Banker viele Produkte irgendwann nicht mehr verstanden haben, hat sich seit einigen Jahren ein neuer Bankentyp erfolgreich etabliert, die bad bank . Dort wird der im Zuge von Finanzkrisen entstandene toxische Müll abgeladen. Die Summen sind beträchtlich; mehr als 1 000 Milliarden Euro wurden europaweit auf die Abraumhalde gelegt. Ein großer Teil dieser Summe dürfte sich in Luft auflösen, wenn sich letztendlich bewahrheiten sollte, was jetzt schon stark zu vermuten ist: dass diese Wert-Papiere nämlich Unwert-Papiere sind.
Bad Banks können funktionieren. Die Frage ist, wie hoch die Summe der notwendigen Abschreibungen, also Wertminderungen, letztendlich ist – und welche Substanz hinter einer betroffenen Volkswirtschaft insgesamt steckt. Wenn bei einem ansonsten recht soliden Haushalt nach einer großen Party mit Alkoholexzessen, die zur teilweisen Zerstörung des Mobiliars geführt haben, das Großreinemachen beginnt und der Müll entsorgt werden muss, bleiben höchstwahrscheinlich genügend Wertgegenstände übrig. Und möglicherweise zahlt ein Gebrauchtwarenhändler für das eine oder andere beschädigte Möbelstück noch einen kleinen Geldbetrag. Haben die Alkoholexzesse jedoch fast die gesamte Inneneinrichtung zerstört und zudem die Bausubstanz nachhaltig geschädigt, steht der Haushalt vor dem Aus.
Bad Banks sollen als Rettungsring unseres falsch justierten Finanzsystems Freiräume schaffen. Solange sich an dieser Fehljustierung jedoch nichts ändert, besteht unvermindert die Gefahr, dass nach Auslagerung des Mülls der Weg für neue Exzesse frei gemacht wird.
Und nach jedem Exzess müssen die Bankenaktiva dann erneut bereinigt werden.
Bankenaktiva (= Bankenpassiva)
Wir kommen noch einmal auf Markus und seine Pommes-frites-Spezialitäten zurück. Markus war über → außerbilanzielle Geschäfte gestolpert, die seine schöne Bilanz zerstört hatten. Bei Gründung seines Mini-Unternehmens hatte er 17 000 Euro gespart. Eine Bank hatte 28 000 Euro draufgelegt und so konnte er für 45 000 Euro einen Imbisswagen mit Komplettausstattung erwerben. Bilanziell betrachtet sah das Ganze so aus:
Aktiva und Passiva sind natürlich nicht doppelt vorhanden; vielmehr beschreiben diese Begriffe zwei verschiedene Sichtweisen. Die Passivseite gibt Auskunft darüber, von wem der Unternehmer sein Geld erhalten hat. Im Falle unseres Freundes Markus kam das Geld von ihm selbst (17 000 Euro Erspartes = Eigenkapital) und von seiner Hausbank (28 000 Euro Kredit =
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