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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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1,00 Euro je Liter Heizöl in einem Jahr 11 111 * 1.00 = 11 111,00 Euro
    2. Szenario: 0,80 Euro je Liter Heizöl in einem Jahr 11 111 * 0,80 = 8 888,80 Euro
    Bei steigendem Ölpreis ergibt sich eine höhere Rückzahlung. Da der Emittent das Recht hat, zwischen den beiden Rückzahlungsarten (10 000 Euro oder 11 111 Liter Öl) zu wählen, wird er jeweils die für ihn günstigere Option ausüben. Das heißt für Sie: Bei steigendem Heizölpreis gibt es 10 Prozent Zinsen und zum Schluss wieder 10 000 Euro zurück (gutes Geschäft), bei sinkendem Heizölpreis zwar 10 Prozent Zinsen, dafür aber eine geringere Rückzahlung als 10 000 Euro (schlechtes Geschäft).
    Der Emittent bietet Ihnen also im Prinzip eine Wette an: Sie wetten, dass der Ölpreis nicht deutlich sinkt. (Wenn er steigt, nützt es Ihnen allerdings auch nichts.) Der Wetteinsatz ist die Differenz zwischen den – hohen – 10 Prozent Zinsen und dem Zinssatz, den Sie ansonsten für eine einjährige Geldanlage erhalten würden. Gewinnen Sie die Wette, kassieren Sie den Wetteinsatz, verlieren Sie, können Sie zwar den Wetteinsatz auch einstreichen, gehen aber ein hohes Rückzahlungsrisiko ein. Mit anderen Worten: Der Emittent der Anleihe (also die Bank, die sich diese Spezialität ausdachte, hat Ihnen eine PutOption (→ put ) aufgeschwatzt.
    Nun können Sie als Besitzer einer Ölheizung sich ja noch trösten, dass Sie im Fall einer verlorenen Wette wenigstens Ihren Tank vor dem nächsten Winter befüllen können. Das Beispiel ist natürlich konstruiert; in der Praxis gibt es als Rückzahlung kein Öl, sondern zumeist Aktien. Daher der Name Aktienanleihe. Und wer im Falle einer verlorenen Wette dann irgendwelche tief gesunkenen Aktien erhält, dabei aber ansonsten mit Aktien gar nichts am Hut hat, dem geht es dann so wie dem Anleger bei unserer Heizöl-Aktienanleihe, der leider nur über eine Gasheizung verfügt.
    Der Emittent ist übrigens fein raus. Er sichert sich frühzeitig ab. Zum Beispiel kann er die betreffenden Aktien bereits kaufen, ehe er Ihnen das tolle Angebot unterbreitet. Er hat ja ein Wahlrecht zwischen der Rückzahlung des Euro-Anlagebetrages oder der Rückzahlung in Aktien und wird natürlich die Alternative wählen, die für ihn günstiger ist. Bei sinkendem Kurs dreht er Ihnen die Aktien an, bei steigendem Kurs behält er sie.
    Ja, so mögen Sie jetzt einwenden, aber wo holt der Emittent die hohen Zinsen her? Ganz einfach: Er kassiert die Dividende aus dem Aktienbestand. (Natürlich wird er nur Aktien auswählen, bei denen eine gute Dividende mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist; das kann man aufgrund der Entwicklung der Unternehmenszahlen bereits einige Monate vor der Dividendenzahlung, also rechtzeitig vor der Konstruktion der Aktienanleihe, absehen.) Außerdem hat er wieder mal ein neues Produkt auf den Markt gebracht. Dieses Produkt wird an den Börsen gehandelt, und dort tritt der Emittent als → market maker auf. Dieses Agieren beschert ihm Provisionen und Handelsgewinne.
    Über die Optionskomponente gelangen wir in die virtuelle Welt der Finanzindustrie. Hier beginnt das Reich der Wettbüros und Spielbanken. Die Zocker-Komponenten treten teils offen zu Tage, teilweise werden sie, wie bei der Aktienanleihe, geschickt getarnt.

Außerbilanzielle Geschäfte
    Markus möchte sich mit einer mobilen Pommes-frites-Bude selbstständig machen. Er kauft einen top ausgestatteten Imbisswagen inklusive Inventar und Warenbestand für, sagen wir, 45 000 Euro. Markus finanziert diesen Wagen mit einer Kombination von Eigen- und Fremdkapital. Falls er 17 000 EUR vorher gespart hat, muss er sich die noch fehlenden 28 000 EUR (beispielsweise durch ein Existenzgründungsdarlehen seiner Bank) beschaffen. Seine Eröffnungsbilanz sieht, ehe er auch nur einen Kilometer fährt, wie folgt aus:

    Die Aktivseite der Bilanz weist das Vermögen aus, die Passivseite gibt Auskunft darüber, wie das Vermögen finanziert wurde (Mittelherkunft). Man kann leicht errechnen, dass knapp 38 Prozent des Vermögens aus eigenen Mitteln stammen (Eigenkapitalquote).
    Wirtschaftet Markus in den folgenden Wochen gut, merkt er das zunächst einmal an seinen Umsätzen. Wo er auch hinfährt – die Kunden stehen Schlange, und alle sind scharf auf seine Pommes-frites-Spezialitäten. Bilanziell zeigt sich dies (unter der Voraussetzung, Markus kann rechnen und verkauft zu Preisen, die seine Kosten decken und für ihn beziehungsweise seinen Arbeitseinsatz noch etwas übrig

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