Das kritische Finanzlexikon
Vermögenseinkommen entfielen 657 Milliarden Euro (32 Prozent = Gewinnquote), die Arbeitnehmerentgelte beliefen sich auf 1 378 Milliarden Euro (68 Prozent = Lohnquote). Die Lohnquote entwickelt sich trendmäßig nach unten; zu Beginn der 1980er Jahre erreichte sie mit 75 Prozent ihren Höchstwert, im Jahr 2000 lag sie noch bei 72 Prozent.
Bei einer Zehn-Jahres-Betrachtung der Entwicklung der deutschen Arbeitnehmerentgelte (2000 bis 2010) fällt auf, dass die Wachstumsraten recht bescheiden sind, aber relativ gleichförmig verlaufen. Durchschnittlich ergab sich pro Jahr eine Erhöhung um 1,28 Prozent, wobei es sich hier um nominale Werte handelt, das heißt, Preissteigerungen werden nicht herausgerechnet. Unter Berücksichtigung einer jährlichen Preissteigerungsrate, die im gleichen Zeitraum bei durchschnittlich etwa 1,65 Prozent lag, mussten Arbeitnehmer also während dieses Zeitraums einen Kaufkraftverlust hinnehmen. Bei den Unternehmens- und Vermögenseinkommen sieht es ganz anders aus. Im Durchschnitt ergibt sich zunächst einmal ein Zuwachs von 4,33 Prozent pro Jahr. Darüber hinaus schwanken die einzelnen Steigerungsraten erheblich. 2008 und 2009, also nach dem Ausbruch der ersten großen Finanzkrise, sanken die Unternehmens- und Vermögenseinkommen um 3,7 beziehungsweise 13,5 Prozent. Dafür gab es allerdings auch Highlight-Jahre wie 2004 (+ 16,0 Prozent) und 2006 (+ 13,3 Prozent).
Da bei der Gewinnquote Unternehmen und Vermögensanlagen in einen Topf geworfen werden, lohnt sich auch ein Blick auf die Entwicklung der Vermögenseinkommen privater Haushalte. Hier werden die Gewinne der Einzelunternehmer (also zum Beispiel die Einkünfte aus dem Gewerbebetrieb eines Herrn Müller), aber auch Gewinne von Kapitalgesellschaften und staatlichen Institutionen herausgerechnet. Bei dieser Größe ergibt sich ebenfalls ein über der durchschnittlichen Wachstumsrate von Arbeitnehmereinkommen liegender Wert in den Jahren 2000 bis 2010, nämlich 2,58 Prozent. Der Abstand ist gleichwohl nicht ganz so groß.
Insgesamt kann man aus diesem Zahlenmaterial bereits eindeutige Indizien für die Bevorzugung von Finanz- und Kapitalanlagen gegenüber dem Faktor Arbeit ableiten. Noch klarer werden die Zusammenhänge, wenn wir zum verfügbaren Einkommen gelangen. Dieses ergibt sich dadurch, dass man vom Volkseinkommen die direkten Steuern und die Sozialversicherungsbeiträge abzieht und die sogenannten Transferzahlungen an private Haushalte (z.B. Arbeitslosengeld II, Elterngeld, Kindergeld) hinzuaddiert. In allen drei Größen steckt gewaltiger sozialer Sprengstoff.
• Direkte Steuern: Wie im Abschnitt → Jubel nachzulesen ist, greift der Staat bei der Versteuerung von Arbeitseinkommen deutlich stärker zu als bei Kapitaleinkünften. Die magere Abgeltungsteuer von 25 Prozent auf Kapitalerträge ist jedoch nur ein Teilaspekt. Hinzu kommen unzählige, vor allem von großen, international verflochtenen Unternehmen und Großanlegern genutzte Möglichkeiten zur legalen Steuervermeidung aufgrund von Sondervorschriften unserer Steuergesetze sowie das Phänomen der Steuerflucht (vgl. → offshore ). Die Effekte unserer (groß)anleger- und unternehmerfreundlichen Steuerpolitik werden belegt durch eine im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung Ende 2011 vorgelegte Studie der Steuerexperten Lorenz Jarass und Gustav Obermair. Demnach erwirtschaften Lohnempfänger über die Lohnquote, wie gesagt, etwa 68 Prozent des Volkseinkommens, ihr Beitrag zum Steueraufkommen ist mit knapp 80 Prozent jedoch überproportional hoch. Von den Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen gingen im Vergleich dazu lediglich etwa 20 Prozent an den Staat – deutlich weniger als, die Gewinnquote von 33 Prozent vermuten lässt.
• Sozialabgaben: Auch hier ist der Trend eindeutig. Primäres Ziel der Regierung ist die Senkung der sogenannten Lohnnebenkosten . Die Akzentuierung auf eine unternehmerfreundliche (und gleichzeitig arbeitnehmerfeindliche) Politik ist unübersehbar. Bei den Sozialversicherungsbeiträgen wird die Last durch höhere Beitragsbelastungen beziehungsweise Leistungsreduzierungen systematisch den Lohn- und Gehaltsempfängern aufgebürdet. Das beginnt mit den Arbeitnehmerzusatzbeiträgen im Zusammenhang mit der Pflege- und Krankenversicherung und endet mit der sukzessiven Umstellung des Rentensystems auf eine private, kapitalgedeckte Rentenversicherung nach den Vorlagen der Herren → Riester und Rürup . Und seit Anfang 2013 gibt es auch eine
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