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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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sich Handelsleute von Rang und Namen regelmäßig in den Räumlichkeiten der im belgischen Brügge ansässigen Kaufmannsfamilie van der Burse (oder van der Beurse ), um dort Geschäftliches zu besprechen. Der Familienname wurde in den darauffolgenden Jahren als Bezeichnung für einen Handelsplatz in allen möglichen europäischen Sprachen übernommen. Das passte auch sehr gut, da die Familie bereits nach dem mittelalterlichen Wort für »Geldsäckchen« benannt war. Der Franzose spricht von der bourse , der Italiener sagt borsa , im Deutschen heißt es Börse. In England findet das Wort bourse Verwendung, wenn es um das Treiben an nicht-angelsächsischen Börsen geht.
    Ursprünglich wurde der Börsensaal auch Parkett genannt. Wer vor 100 Jahren in seinem Haus einen Parkettfußboden hatte, war in der Oberschicht angekommen; das gemeine Volk hatte schlichte Holzbohlen, später billigen Kunststoff. Kein Wunder, dass das Börsenparkett ebenfalls die Aura des vornehm Gediegenen umgibt. Dort trafen Händler, die entweder im fremden oder im eigenen Namen handelten, auf die Börsenmakler. Mitunter ging es dort recht turbulent zu. Die Akteure eilten wie aufgescheuchte Hühner auf dem Parkett umher und riefen sich gegenseitig Floskeln wie »Zweitausend Mannesmann, Vier-Zwo, an Dich« zu. Das war die Zeit des Criée-Handels ( criée bedeutet im Französischen »zugerufen«).
    Der moderne Börsenhandel ist lautlos. Im Wesentlichen besteht er darin, dass ein Computer die jeweils passenden Kaufund Verkaufsaufträge für ein bestimmtes Wertpapier zusammenführt. Dieses matching wurde bereits im Abschnitt → Markt beschrieben.
    Computer sind vollkommen emotionslose Gesellen. Nicht jedoch die hinter den einzelnen Aufträgen stehenden Personen. Die Kakophonie der Finanzmarktakteure wird mithilfe moderner Computerbörsen kanalisiert in ein mathematischtechnisches Verfahren. Xetra ist das beste Beispiel für diese Tendenz. Die Abkürzung steht für e x change e lectronic tra ding. Es handelt sich um ein automatisiertes Handelssystem der Deutschen Börse in Frankfurt, das eine standortunabhängige Teilnahme am Börsenhandel über das Computernetz des Systems ermöglicht (ein Beispiel zur Kursbildung bei Xetra befindet sich im Abschnitt → Markt ). Etwa 90 Prozent des gesamten Aktienhandels an deutschen Börsen werden über Xetra abgewickelt. Dennoch – die Computer stehen nicht in einem öden, kahlen Betonraum. Es gibt auch bei Xetra quasi ein Parkett. Wirft man von der Besuchergalerie aus einen Blick in den Frankfurter Börsensaal, trifft man überraschenderweise nach wie vor Leute an, die geschäftig hin und her rennen. Nur mit der Kursbildung haben diese Menschen nichts zu tun. Das Gerenne ist reine Staffage, eine Kulisse für die Inszenierungen der Finanzbranche. Auf dem Parkett geht es heutzutage um den Austausch von Informationen. Branchenspezialisten kommen untereinander ins Gespräch, Vertreter der Fernsehsender treffen auf → Finanzanalysten , die ihre wertvollen Einschätzungen zum aktuellen Marktgeschehen abgeben. Auf dass man uns weiterhin mit dem neuesten Börsengerede beschießen kann. Das erzeugt Sentiment, eine gute Börsenstimmung, und es schafft eine fundamentale Basis für neue Geschäfte. Die Finanzindustrie benötigt dieses Informationsvehikel, damit jeder potenzielle Anleger sich irgendetwas halbwegs Konkretes unter der abstrakten Materie vorstellen kann. »Um das Prinzip Börse verständlicher zu machen, brauchen wir eine Darstellungsform«, gibt ein Banker in einem Gespräch mit dem Handelsblatt denn auch unumwunden zu. Das Börsenparkett als Marketinginstrument. Da würde sich die Familie van der Burse doch glatt im Grabe umdrehen. Das Geld wird indes am Computer verdient – mit Xetra und den vielen anderen X-Segmenten.

x-trackers und x-markets
    Ein Börsenindex (→ Index ) bildet die Wertentwicklung eines bestimmten Finanzinstrumentes ab. Er ist in der Praxis jedoch sehr viel mehr, da er außer dieser informatorischen Funktion auch die Rolle einer Zielgröße (Benchmark) übernimmt und zudem als Spekulationsinstrument fungiert, Man kann auf eine Indexsteigerung (durch Kauf eines → call ) oder auch eine Indexsenkung (zum Beispiel durch Kauf eines → put ) wetten. Wenn ein Index zum Handelsobjekt wird, kann die Finanzbranche damit Umsätze und folglich höhere Provisionen generieren. Von daher leuchtet es ein, dass die Banken ein großes Interesse daran haben, möglich viele Indizes als → Produkte

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