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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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es:
    (1) Durch Spiel oder durch Wette wird eine Verbindlichkeit nicht begründet. Das auf Grund des Spieles oder der Wette Geleistete kann nicht deshalb zurückgefordert werden, weil eine Verbindlichkeit nicht bestanden hat.
    (2) Diese Vorschriften gelten auch für eine Vereinbarung, durch die der verlierende Teil zum Zwecke der Erfüllung einer Spiel- oder einer Wettschuld dem gewinnenden Teil gegenüber eine Verbindlichkeit eingeht, insbesondere für ein Schuldanerkenntnis.
    Man kann sprichwörtlich seinen Kopf verwetten. Jede Privatperson kann, sollte eine Wette ungünstig für ihn ausgehen, die Zahlung des dem Kontrahenten versprochenen Betrages mit Verweis auf den obigen Paragrafen verweigern. Lediglich ein bereits geleisteter Wetteinsatz darf nicht mehr zurückgefordert werden. Wettschulden sind, wie der Volksmund sagt, »Ehrenschulden«.
    Dieter M. konnte daher wie folgt argumentieren: »Ich habe mittels Optionen und Futures gewettet, dass Dollar, Yen und Pfund sich in eine für mich günstige Richtung entwickeln werden. Durch die hierbei entstandenen Verluste bin ich bei meiner Bank in die Miesen geraten. Meine Schulden erkenne ich an, da aber Wettgeschäfte vorliegen, muss ich diese nicht zurückzahlen.«
    Dieser Einwand wurde von Privatkunden bis vor einigen Jahren regelmäßig vorgebracht. Die Gerichte erkannten ihn immer dann an, wenn der Kunde glaubhaft versicherte, dass seine Bank ihn nicht »termingeschäftsfähig« gemacht, das heißt ihn über die Funktionsweise von Anlageformen mit Wettcharakter und deren Risiken und Konsequenzen umfassend und regelmäßig aufgeklärt hatte. Im Falle umfassender Aufklärung des Kunden konnte man auch damals den Paragrafen 762 BGB umgehen. Aber es war aufwändig und lästig.
    So mancher Bank verdarb das die Freude an den vielen neuen Möchtegern-Spekulanten. Diese Kunden brachten ja Geschäftspotenziale mit sich.
    Das konnte natürlich so nicht weitergehen. Die Finanzindustrie hat auch hier für Klarheit gesorgt. Ihr Einfluss ging nicht so weit, dass der BGB-Paragraf, der einer ungehinderten Ausbreitung von Spekulationsgeschäften im Wege stand, abgeschafft worden wäre. Wettschulden sind nach wie vor »Ehrenschulden« – nur nicht bei Finanzgeschäften. In das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) wurde nämlich eine neue, banken- und spekulantenfreundliche Regelung eingefügt. Dort heißt es seit 2007 in Paragraf 37e:
    Gegen Ansprüche aus Finanztermingeschäften, bei denen mindestens ein Vertragsteil ein Unternehmen ist, das gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Finanztermingeschäfte abschließt oder deren Abschluss vermittelt oder die Anschaffung, Veräußerung oder Vermittlung von Finanztermingeschäften betreibt, kann der Einwand des § 762 des Bürgerlichen Gesetzbuchs nicht erhoben werden.
    → Der Trick mit der Deregulierung hat also auch hier funktioniert. Unter den Begriff »Finanztermingeschäfte« fallen alle Derivate-Spielarten, und damit auch die meisten Finanzinnovationen. Das Finanzwettbüro hatte ihre Tore weit geöffnet.
    Nicht nur in Deutschland. Die Konsequenzen der ungezügelten Wettaktivitäten kann man anhand weniger Zahlen nachvollziehen: An den Weltbörsen werden jährlich etwa 90 Billionen US-Dollar Umsätze mit Aktien erzielt. Bei Anleihen sind es 60 Billionen. Hohe Summen zweifellos, aber nichts gegenüber dem Geschäft mit Wetten: Die Wettkomponente → Derivate bringt es auf etwa 800 Billionen Dollar; das weitaus meiste davon, nämlich mehr 700 Billionen Dollar, wird, wie beschrieben, außerbörslich, also → OTC = over the counter , umgesetzt.

X/Y
    x-tra cool
    In deutschen Texten weist der Buchstabe X eine durchschnittliche Häufigkeit von 0,03 Prozent auf. Für die Finanzindustrie hat er jedoch offenkundig etwas Magisches. Ob Xetra oder x-trackers und x-markets – alle Bezeichnungen stehen für Dynamik und Innovation. Zumindest wird dies von Branchenvertretern behauptet; an dieser Stelle macht man uns da allerdings eher ein X für ein U vor.
    Fast genauso selten wie das X kommt der Buchstabe Y in deutschen Texten vor (durchschnittliche Häufigkeit: 0,04 Prozent). Im Gegensatz zum Englischen – dort stößt man im Durchschnitt nach jedem 50. Buchstaben auf ein weiteres Y. Daher wird an dieser Stelle auch statt eines »V« wie »Volkseinkommen« die aus dem angelsächsischen Raum stammende schlichte Bezeichnung Y aufgeführt.

Xetra
    Im 16. Jahrhundert trafen

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