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Das kritische Finanzlexikon

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Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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Bonität, Ausfallwahrscheinlichkeit hoch
Kreditnehmer E
390 000 Dollar
– gute Bonität, Ausfallwahrscheinlichkeit gering
insgesamt
100 000 000 Dollar
    Nun fasst man die drei Bonitätsklassen zusammen und verpasst ihnen peppige Namen. Fertig ist die CDO:

    Die CDO ist ein Wertpapier, das interessierten Anlegern zum Kauf angeboten werden kann. In der Finanzkrise waren es vor allem die sogenannten institutionellen Anleger, also Banken, Versicherungen, Pensionsfonds etc., die sich für dieses tolle Produkt interessierten. Vorreiter waren die deutschen Landesbanken, in Kreisen amerikanischer Investmentbanker auch »Stupid German Money« genannt.
    Eine deutsche Landesbank könnte also jeweils einen Anteil von einer Million Dollar von jeder Tranche kaufen. Nach dem Grundsatz, dass die Verzinsung eines Wertpapiers umso höher ist, je riskanter das Papier ist, muss die Senior Debt-Tranche eine geringere Verzinsung aufweisen als die Mezzanine-Tranche, deren Verzinsung wiederum unter dem Equity-Teil liegt. Welche Verzinsung hier angemessen ist, ob 4 Prozent (Senior), 7 Prozent (Mezzanine) und 9 Prozent (Equity), oder ob eher ein Verhältnis von 3 Prozent/7,5 Prozent/10 Prozent als »richtig« angesehen werden kann, wird durch die – Achtung! – »Marktverhältnisse« bestimmt. Und damit sind wir wieder bei der Bonität angelangt. Da das Verhalten der Marktteilnehmer sich auf Wahrscheinlichkeiten stützt und zuverlässige Bonitätseinschätzungen nicht möglich sind, ist das Ganze letztlich Kaffeesatzleserei.
    Angenommen, unsere deutsche Landesbank erwirbt aufgrund der aktuellen Marktverhältnisse bei Zinssätzen von 4 Prozent, 7 Prozent und 9 Prozent jeweils eine Million Dollar Anteil an jeder Tranche. Dann könnte sie, solange alles gut geht, mit jährlichen Zinseinnahmen von 40 000 + 70 000 + 90 000 = 200 000 Dollar rechnen. Bezogen auf die Investitionssumme von 3 Millionen Dollar sind dies 6,6 Prozent. Eine recht ansehnliche Durchschnittsverzinsung, solange nichts schiefgeht.
    In der Finanzkrise 2007 ging es schief. Die Kreditnehmer, damals waren es amerikanische Häuserkäufer, konnten ihre Verbindlichkeiten nicht mehr zurückzahlen. Damit fielen Zins- und Rückzahlungsansprüche aus. Und an dieser Stelle wird die Fragilität des wahrscheinlichkeitsbasierten Handelns der Finanzmarktakteure deutlich. Sobald die ersten schlechten Nachrichten eintreffen, werden sie nervös; dann ändern sich die Zukunftseinschätzungen in rasantem Tempo – und alle bisherigen Wahrscheinlichkeitsberechnungen werden über den Haufen geworfen. Dann gelten auch vermeintlich erstklassige Bonitätsaspiranten plötzlich als gefährdet. Und dies strahlt auf das gesamte, als Wertpapier strukturierte Kreditbündel aus: Die bis zum Zeitpunkt X noch hoch angesehene CDO wird über Nacht zu einem toxischen Wertpapier.
    Etliche deutsche Banken mussten im Zuge des CDO-Desasters ab 2007 herbe Verluste hinnehmen; die amerikanische Investmentbank Lehman Brothers ging pleite.
    Bedauerlicherweise hatte die deutsche KfW-Bank den Lehmännern nur einige Stunden vor Bekanntgabe der Insolvenz noch mehr als 300 Millionen Euro überwiesen und erhielt daraufhin die Ehrenbezeichnung »Deutschlands dümmste Bank«. Sie hätte besser auf das clearing des Millionenbetrages verzichtet.

clearing
    Früher hätte man »Abrechnung« gesagt. Das clearing übernimmt die Rolle des untertänigen Handlangers der Finanzwelt. Tag für Tag werden Milliardensummen »gecleart«. Das viele Geld muss ja hin und her geschoben werden. Zuständig für das Geschiebe sind komplexe Computerprogramme.
    Wir erinnern uns an das im Abschnitt → abartige Entwicklung beschriebene Beispiel: Ein Wanderer hinterlässt 100 Euro als Kaution beim Wirt des Gasthauses »Zum Löwen«. Der Wirt rennt mit dem 100-Euro-Geldschein zu seinem Getränkelieferanten und begleicht dort seine letzte Rechnung. Der Getränkelieferant seinerseits hat noch Schulden beim Dorfmetzger, und dieser kann sich jetzt an dem 100-Euro-Schein erfreuen. Leider muss auch er den Schein weitergeben, denn er hat noch eine Verbindlichkeit beim Wiesenbauern zu begleichen. Auch der Wiesenbauer ist jetzt glücklich, kann er doch endlich seinen umfangreichen Bierdeckel beim »Löwen« auslösen. Am Nachmittag nimmt der Wanderer das Geld wieder mit. Aber die Dorfbewohner sind jetzt schuldenfrei.
    Kein Wunder – das lässt sich auch durch das clearing zeigen. Ein entsprechendes Computerprogramm würde das Ganze so darstellen:

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