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Das kritische Finanzlexikon

Das kritische Finanzlexikon

Titel: Das kritische Finanzlexikon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter Wierichs
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Höhe von 400 Millionen Euro, der nach Ausbruch der Finanzkrise im Jahr 2008 eingefroren worden war. Die Bank hatte in jenem Jahr 6,6 Milliarden Euro Verlust gemacht. Für die flotten Jungs aus der Abteilung Spekulation war das jedoch keineswegs ein Argument für eine Blockade der Bonuszahlungen. Einer der klagenden Händler hatte 2008 nur 1,3 Millionen Euro als Bonus erhalten und forderte jetzt einen Nachschlag. Den ersten Teil, die 1,3 Millionen, hatte er als »Antipasto« verstanden, und die Hauptspeise wollte er natürlich auch noch genießen. Die Pointe an der Geschichte: Das Gericht gab den Klägern Recht. Die Commerzbank wurde zur Auszahlung von 52 Millionen verspäteten Boni verurteilt. Unser Feinschmecker erhielt also noch seinen Hauptgang, der mit 2 Millionen Euro auch recht üppig ausfiel. Pacta sunt servanda , Verträge sind einzuhalten – auch wenn ihr Inhalt und ihre Konstruktion den Menschen kaum vermittelbar sind.

C
    Im Dickicht der virtuellen Finanzwelt
    Die erste Wettstufe wird gezündet: Beim call tritt das Produkt in den Hintergrund und wird verdrängt von einem handelbaren Recht an diesem Produkt. Noch verrückter sind CDO . Was die Bank an Wetten, CDO und sonstigen Finanzprodukten auf die virtuelle Reise schickt, muss sauber verrechnet werden – hierfür gibt es das clearing . Mitunter werden Transaktionen mithilfe von Conduits jedoch gut versteckt.

call
    Herr Meier findet Ende Mai auf einem Internetportal unter der Rubrik »Optionen, Deutschland« folgende Notierung vor:
    Hightec AG-Aktie, call, Basispreis 76 Euro, letzter Kurs 10,50 Euro, Laufzeit Juli
    Herr Meier hat zuvor bereits den Kurs für die Hightec-Aktie abgerufen. Die steht bei 83 Euro.
    Aktien verbriefen einen Anteil an einem Unternehmen. Wenn Herr Meier sich Ende Mai eine Hightec-Aktie zulegt, zahlt er 83 Euro und ist dann Miteigentümer dieses Unternehmens. (In unserem Fall handelt es sich um ein Phantasieunternehmen.) Das ist noch gut nachvollziehbar. Mit dem obigen call auf Hightec betritt er jedoch eine neue, abstrakte Welt.
    In verständliches Deutsch übersetzt, bedeutet die Notierung: Herr Meier kann Ende Mai für einen Geldbetrag von 10,50 Euro das Recht (Optionsrecht) erwerben, eine Hightec-Aktie zum Preis von 76 Euro zu erwerben. Er ist jedoch nicht verpflichtet, dies zu tun. Geschäftspartner ist ein unbekannter Spekulant, der Ende Mai zunächst 10,50 Euro von Herrn Meier für den Verkauf des Rechtes kassiert und dann bis Juli damit rechnen muss, dass dieser von seinem Recht Gebrauch macht. Aktuell lohnt sich die Ausübung des Rechtes natürlich nicht, denn Herr Meier würde ja zunächst 10,50 Euro für das Recht und dann zusätzlich 76 Euro für die Aktie, insgesamt also 86,50 Euro zahlen. Da könnte er besser die Aktie sofort zum aktuellen Börsenkurs von 83 Euro beziehen. Herr Meier muss also darauf spekulieren, dass die Aktie des Unternehmens in den nächsten Wochen kräftig steigt. Würde sie beispielsweise Ende Juni bei 95 Euro stehen, sähe die Sache anders aus. Dann würde sich die Option lohnen. Herr Meier hätte dann für einen Kapitaleinsatz von 86,50 Euro eine Aktie im Wert von 95 Euro in seinen Händen.
    Herr Meier ist ein haussier , er spekuliert auf einen steigenden Kurs. Sein unbekannter Spekulationspartner denkt in eine andere Richtung. Er hofft auf einen sinkenden (oder zumindest nicht stark steigenden) Kurs. Wenn seine Erwartung aufgeht, wird die Option nicht ausgeübt, und er hat 10,50 Euro kassiert.
    Optionsrechte wie der call sind also Wettgeschäfte. Es geht nicht mehr um den Erwerb einer Aktie zwecks Beteiligung an einem Unternehmen. Man setzt Geld auf das Eintreten oder Nicht-Eintreten von Ereignissen. Das jeweilige Ereignis steht im Vordergrund. Die Aktie ist lediglich eine Basis, mit deren Hilfe festgestellt werden kann, ob das Ereignis eintritt oder nicht. Daher wird die Aktie im Zusammenhang mit dem Optionsgeschäft auch als Basiswert bezeichnet, und daher gehört ein call zur Anlageklasse der sogenannten »abgeleiteten« = derivativen Finanzinstrumente, im Finanzdeutsch → Derivate genannt.
    Die Finanzbranche liebt solche Wettgeschäfte. Man hat nicht aus Spaß oder gar Menschenfreundlichkeit eine neue Abstraktionsstufe im Handel von Finanzprodukten übersprungen. Zunächst einmal verdient die Branche über Handelsprovisionen an jedem Wettgeschäft. In unserem Beispiel würde sie bei der Vermittlung des Geschäftes sowohl von Herrn Meier als auch von seinem Spekulationspartner Gebühren

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