Das kritische Finanzlexikon
Landesbank (Sachsen LB). Am 10.8.2007 ließ die Sachsen LB über eine Pressemitteilung Folgendes verlautbaren:
Die Sachsen LB sieht grundsätzlich keine Anzeichen für erhöhte Ausfallwahrscheinlichkeiten der von ihrer Tochtergesellschaft Sachsen LB Europe plc gemanagten ABS-Strukturen. Wie ein Sprecher der Bank auf Anfrage erklärte, ist die im Jahr 2004 gegründete Zweckgesellschaft Ormond Quay ausschließlich in AAA-geratete ABS-Papiere investiert.
Im Unterschied zu vielen anderen Gesellschaften investiert Ormond Quay nicht in CDOs (Collateralized debt obligation), sondern ausschließlich direkt in ABS (Asset backed securities)-Papiere. Die hohe Qualität dieser Investments wurde in den Überprüfungen der Ratingagenturen erst jüngst erneut bestätigt. »Die Werthaltigkeit dieser Papiere ist unbestritten«, sagte der Banksprecher. (…) Die Sachsen LB verfügt über ausreichende Liquidität.
Das klingt noch ganz geschmeidig. Tolle ABS, keine Liquiditätsprobleme. Nur zehn Tage später gab es eine weitere Erklärung:
Der Vorstand der Sachsen LB hat den Verwaltungsrat der Bank heute über die aktuelle Situation des Instituts und die von der Sparkassen-Finanzgruppe bereit gestellten Liquiditätslinien unterrichtet. Der Verwaltungsratsvorsitzende, Finanzminister Dr. Horst Metz, dankte den Beteiligten im Namen des gesamten Gremiums für die schnelle Zusage. »Durch die Solidaraktion der Sparkassen-Finanzgruppe konnten die durch die aktuelle Marktstörung drohenden Liquiditätsprobleme der Sachsen LB schnell gelöst werden«, sagte Metz.
Der Verwaltungsratsvorsitzende unterstrich, dass aus dieser Lösung keine Belastung für die Kommunen und die Bürgerinnen und Bürger des Freistaates entstehen werde. »Die Spareinlagen der Sparkassenkunden sind nicht berührt. Jetzt geht es darum, das Vertrauen der Märkte wiederherzustellen und gemeinsam die weitere Entwicklungsperspektive der Sachsen LB zu sichern.«
Der Vorstand der Sachsen LB wird den Verwaltungsrat regelmäßig über die weitere Entwicklung der Markt- und Liquiditätssituation informieren.
Der Bank hatte also doch kurzfristig Liquidität benötigt und diese über die Sparkassenorganisation erhalten. Was war geschehen? Die Antwort finden wir im Geschäftsbericht 2007 der Sachsen LB:
Bei der Struktur Ormond Quay besteht die Besonderheit, dass die Sachsen LB Europe im Rahmen eines ›Valuation Agreements‹ die Verpflichtung eingegangen ist, Wertpapiere bei einem gewichteten Anschaffungskurs von 97 Prozent zu verkaufen und für einen Schaden einzutreten, falls dieser Managementvertrag verletzt wird, d.h. ein Wertpapier nur unter einem Kurs von 96 Prozent verkauft werden kann. (…)
Die US-Subprime Krise hat durch den Zusammenbruch der ABS-Märkte auf die ABS-Fonds und Conduits nachhaltige negative Auswirkungen, insbesondere bezogen auf die Liquidität (hier vor allem Ormond Quay), aber auch auf die Marktwerte gehabt.
Da lag es also auf dem Tisch: das »Valuation Agreement«. Übersetzen könnte man es mit »Vereinbarung zur Wertbestimmung«. Das klingt harmlos, ist im Prinzip jedoch eine finanzwirtschaftliche Variante von Pokerschulden. Gemäß dieser Vereinbarung war die für das Management der Ormond Quay-Zweckgesellschaft zuständige Sachsen LB Europe und damit letztendlich die Muttergesellschaft Sachsen LB im Falle sinkender Kurse der ABS-Papiere nicht nur zum Verkauf dieser Papier verpflichtet; sie musste darüber hinaus auch den Schaden übernehmen, der ab einem Sinken der ABS unter 96 Prozent eintreten würde. Da die Kurse dieser plötzlich »toxisch« gewordenen Wertpapiere rapide fielen, war das Resultat niederschmetternd – das Abenteuer kostete die Sachsen LB mehr als 700 Millionen Euro und führte zur Übernahme des Kreditinstitutes durch die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).
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