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Das Kuckucksei

Das Kuckucksei

Titel: Das Kuckucksei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.J. Cherryh
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würdest, wenn ich es dir befehle, und daß du es niederlegen würdest, wenn ich es dir befehle. Jetzt ist die Zeit gekommen, Dorn. Jetzt befehle ich dir, es niederzulegen. Hörst du? Ich befehle dir, es niederzulegen, Dorn!«
    Das Zittern wurde stärker. Dorns Handfläche löste sich langsam von der Duuns. Duun umklammerte Donrs Handgelenk und riß ihn an seine Brust. Dorn verlor das Gleichgewicht und kippte an ihn. Duun grinste, packte den Jungen an beiden Armen, die Krallen ausgestreckt, schob ihn zurück und starrte ihm in die Augen. »Ich hätte dir gerade eben beinahe die Kehle aufgerissen. Glaubst du das?«
    »Nein.«
    »Warum würde ich das nicht tun?«
    »Ich weiß nicht, Duun!«
    Duun ließ ihn los. Dorn fiel auf das Hinterteil, setzte sich auf und rieb sich die Arme. Er würde blaue Flecken und Krallenspuren daran haben, wie Duun wußte.
    »Bist du denn ein Dummkopf?« fragte Duun. »Warum hast du das gemacht?«
    »Du hättest mich sonst geschlagen«, versetzte Dorn mit perfekter Logik.
    »Ja«, bestätigte Duun.
    Ein erneuter Wandel. Dorn saß mit hängendem Unterkiefer da, in benommener Stille und mit tränenden Augen. Der Junge entdeckte ein Chaos in der Welt, Aufgaben, die keine richtigen Lösungen besaßen. »Die Welt ist voller Entscheidungen, die immer schlecht sind, egal, wie sie ausfallen«, sagte Duun. »Zahlen gehen immer auf. Man kann sich auf sie verlassen. Darum lernen wir Zahlen. Um der Welt eine Ordnung zu geben. In keinem anderen Lebensbereich gehen die Dinge auf. Begreifst du das?«
    »Ja.« Dorn klapperte mit den Zähnen. »Ich sehe es ein.«
    »Du bist ein Hatani. Weinahatani, kleiner Fisch. Ein kleiner Hatani. Ein Hatani ist nicht identisch mit seinen Waffen. Er ist nicht das Messer und nicht das Gewehr. Sie machen nicht das Wesen eines Hatani aus. Ich sagte dir, daß die Zeit kommen würde, diese Dinge niederzulegen. Jetzt brauchst du sie nicht mehr. Du kannst das Messer nehmen und wieder hinlegen. Ein Hatani ist nicht das Messer. Verstehst du? Auch nicht die Haut oder die Krallen oder die Augen. Verstehst du? Ich bringe es dir bei, und du wirst ein Hatani. Innerlich.«
    Dorn blinzelte heftig. Schnappte nach Luft. »Duun, woher hast du mich?«
    »Was denkst du?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Aber du vertraust mir. Stürz dich nicht auf jeden Happen, kleiner Fisch! Manche sind Köder. Habe ich dir das nicht beigebracht? Benutze deinen Verstand! Addiere nur, was addiert werden kann, aber vergiß trotzdem nie eine Zahl. Niemals auch nur eine einzige! Denn genau die wird dann sicherlich von hinten kommen und dich töten. Die Welt erlaubt keine zweiten Versuche. Nichts tritt doppelt auf.«
    »Woher weißt du eigentlich alles?«
    »Vergiß nie eine Zahl! Nicht einmal solche, die vor langer Zeit auftraten, denn man weiß nie, wann man sie wieder braucht. Lehne nie etwas ab, denn du weißt nie, was du irgendwann einmal brauchen könntest. Diese Dinge lehre ich dich.«
    » Woher hast du mich? «
    »Ich habe dich aus einem Fluß gezogen, kleiner Fisch. Du warst dabei zu ertrinken, und ich habe dich gerettet.«
    »Stimmt das wirklich, Duun?«
    »Ich habe gelogen.« Duun streckte eine Hand aus und streichelte Dorns Wangen, auf denen jetzt dünner Flaum wuchs. Auch anderswo an seinem Körper wuchs Haar und wurde dunkler, was Dorns Hoffnung und seine Verzweiflung war ... (›Es ist schlimmer als nichts!‹ schrie Dorn vor dem Spiegel im Bad. ›Ich bestehe nur aus Flicken, Duun!‹) Und noch mehr Zeichen waren an ihm zu erkennen. »Das eine sage ich dir: Ich finde, du solltest von diesem Thema ablassen, kleiner Fisch. Du hast recht, es ist hier und dort ... Ich würde es gleichmäßig machen.«
    »Hör auf damit! Lenk mich nicht ab! Ich will eine Antwort, Duun!«
    »Ah, du deckst meine Tricks auf, wie?«
    »Ich will eine Antwort, Duun!«
    »Diese Elritze verfügt über Hatani-Tricks!«
    »Ich will eine Antwort, Duun!«
    Duun schürzte die Lippen. Legte die Ohren nach hinten. »Ich würde die Antwort mit meiner Hand suchen. Schlage mich, und ich antworte dir!«
    Dorns Schultern sackten herab. Er senkte den Kopf. Eine echte Niederlage. Dann hob er wieder das Gesicht und warf Duun einen durchdringenden, bangen Blick zu.
    »Duun ... Duun, sag mir die Wahrheit! Ein einziges Mal! Sei fair zu mir! Weißt du es?«
    »Ja«, sagte Duun und musterte ihn stechend, bis Dorn sich ab wandte.

VIERTES KAPITEL
     
    Glaube bin ich, wenn alles starb, dem du vertrautest;
Wahrheit bin ich, wenn alles log, dem du einst

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