Invasion der Monitoren
1
Es war ein warmer Nachmittag in der Stadt. Eine Brise wirbelte bunte Aspirin-, Beruhigungstabletten- und Kaugummihüllen in die Gesichter der wohlgenährten Bürger, die sich auf den Bürgersteigen vorwärtsschoben, ohne dem gemischten Chor der Autohupen, den Flüchen ungeduldiger Taxifahrer oder den lauten Stimmen der Zeitungsverkäufer, die fröhlich Einzelheiten der letzten Katastrophe verkündeten, Beachtung zu schenken.
Ace Blondel stand vor einem Schaufenster und bewunderte die handgemalten Krawatten und leichten Sportanzüge zu herabgesetzten Preisen. In der staubigen Scheibe spiegelte sich die belebte Straße, die häßlichen Häuserfronten auf der gegenüberliegenden Seite mit den zahlreichen grellen Plakaten und darüber ein schmaler Streifen dunstverhangener blauer Himmel.
Blondel wandte sich ab, blickte auf seine Armbanduhr und lenkte seine Schritte zur Glastür von Harrys Marine-Bar und Grill.
Drinnen röhrte ein Fernsehapparat über der langen Bar wie ein liebeskranker Elch und warf einen flackernden Schein auf ausgespannte Fischernetze, zerbröckelnde Korkschwimmer und einen mumifizierten Thunfisch mit Messingplakette zum Andenken an seinen Fang. An der Wand prangte ein Wandgemälde, das außerordentlich üppige Meerjungfrauen darstellte, deren Reize von den zwei an der Bar hockenden Stammgästen jedoch unbeachtet blieben.
Ein massiger Mann mit einer weißen Schürze über dem dicken Bauch hielt im Gläserpolieren inne, verlagerte seinen Zahnstocher und rief: »Hallo, Ace Blondel! Willkommen daheim, Kamerad! Was soll’s sein?«
»Quetsch mir einen aus dem Barteppich, Harry, mehr kann ich mir im Augenblick nicht leisten.« Blondel schob sich auf einen möglichst weit vom Lärm des Fernsehers entfernten Barhocker.
»Wieder mal pleite, Kamerad?« Der Barkeeper beförderte seinen Zahnstocher wieder in die andere Mundecke und lehnte sich mit einem keulengleichen Ellbogen auf die Theke. »Ich dachte, du hättest einen großartigen Job beim Gesundheits- und Wohlfahrtsverein und fliegst Enzyklopädien zu diesen unterentwickelten Bulgaren.«
»Kambodschaner«, berichtete Blondel, »und es waren keine Enzyklopädien, sondern Filmmagazine. Außerdem handelte es sich um den US-Informationsdienst und nicht um den GWV. Und seit letzter Woche habe ich den Job nicht mehr.«
»Was ist passiert?«
»Jemand hat entdeckt, daß die Comics Propaganda der Rotchinesen waren. Irgendein Schwindel in der Übersetzungsabteilung, wird vermutet. Sie haben das Programm abgesetzt und mich mit.«
»Das ist hart«, meinte Harry mitfühlend. »Warum laßt du dich nicht bei einer der großen Fluggesellschaften als regulärer Pilot einstellen, Ace? Bei deiner Erfahrung würden sie dich mit Kußhand nehmen.«
»Nichts für mich, Harry. Die Stunden würden mir nicht liegen.«
»Wieso Stunden? Mein Schwager fliegt einen Tag und hat dann drei Tage frei …«
»Ich meine die regelmäßigen Stunden, die regelmäßigen Flugpläne und dann die vorgeschriebenen Formulare, die dauernd ausgefüllt werden müssen …«
»Und die regelmäßigen Lohnschecks …« Harry beschäftigte sich mit einigen Flaschen und Gläsern und stellte einen Drink vor Blondel hin. »Wenn ich in deinem Alter wäre, Ace, dann würde ich nach Ecuador gehen. Ich habe gehört, daß man dort unten ein Vermögen verdienen kann – vor allem jetzt, da sie kurz vor der Revolution stehen.«
»Das ist ein falscher Ausdruck«, rief einer der Stammkunden vom anderen Ende der Bar. »Was wir Revolution nennen, ist bloß die normale lateinamerikanische Art, Wahlen abzuhalten. Das heißt, Kugeln gelten als Stimmzettel und sind viel leichter zu zählen …«
»Nichts da, Prof. Willst du, daß man uns als Rote verhaftet?« protestierte sein Trinkkumpan, und dann begannen die beiden zu diskutieren.
Blondel trank die erste Hälfte seines Drinks. »He, Harry, ich habe doch gesagt, einen Einfachen …«
»Ach was, das Zeug taugt doch nichts.« Harry beugte sich vertraulich näher. »Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, die ganze Weltsituation ist eine ausgekochte Sache zwischen Washington und den Russen, um die Wirtschaft …« Er hielt plötzlich inne und horchte zum Fernsehapparat hin. Die Musical-Melodien hatten aufgehört, und statt dessen ertönte ein unheimliches Pfeifen von der Art, wie man es für gewöhnlich mit wahnsinnigen Wissenschaftlern assoziiert. Der Bildschirm zeigte nur noch flackernde weiße Leere. Dann begannen Zickzacklinien von rechts nach
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