Das Labor der Esper
Wenn du hier wärst, könnte ich mich richtig um ihn kümmern.
Du verwechselst mich mit meinem Körper, Barbara. Dieses hilfsbedürftige, unfertige Ding ist nichts. Ich möchte wissen, ob du mich noch ebenso liebst, wenn ich jung und stark bin.
Moray schien heute sehr schwach. Sie antwortete schnell, weil sie ein Thema vermeiden wollte, über das sie, trotz ihrer Liebe zu Viktor, gewisse Zweifel hegte.
Je niedriger seine Widerstandskraft ist, desto besser. Nur darf kein Dauerschaden entstehen.
Und du bist sicher, daß das nicht der Fall ist?
Barbara, ich kenne jedes Atom seiner Existenz – ich kenne seinen Körper besser als meinen.
Du bist bald fertig?
Bis auf ein paar kleine Details …
Dann kommst du her? Sie spürte eine Woge des Glücks, als sie erkannte, daß ihre Einsamkeit nun bald zu Ende sein würde. Sie hatten schon lange zuvor beschlossen, daß Viktor und Peter Moray einander nahe sein sollten, wenn die Umwandlung stattfand, um die Gefahren möglichst einzuschränken. Eine Einmischung auf der physischen oder telepathischen Ebene während der Umwandlung konnte für jeden der beiden tödliche Folgen haben. Barbaras Aufgabe war es, darüber zu wachen, daß keine solche Störung stattfand.
Morgen nachmittag. Du mußt dafür sorgen, daß ich möglichst unauffällig in das Gebäude gebracht werde. Ich bin weder in der Laune noch in der Lage, Nettigkeiten über mich ergehen zu lassen. Wirst du mit Havenlake und der Schofield fertig?
Natürlich – sie vertrauen mir. Und Moray?
Ich kümmere mich um ihn, sagte Viktor zuversichtlich. Und jetzt muß ich gehen.
Nein … noch nicht …
Ihre Bitte kam zu spät. Er war bereits fort. Die Einsamkeit legte sich wieder drückend auf ihre Gedanken, und sie lag still da und starrte in die Dunkelheit. Bis morgen schien es noch lange zu sein. Und die Erfüllung von Viktors Plänen war noch weiter weg. Sie hatte kaum Zweifel an seiner Fähigkeit – wenn irgendwo ein schwaches Glied bestand, dann war sie es. Sie hatte den starken Verdacht, daß Viktor das Risiko während des Umwandlungsprozesses unterschätzte, und sie zweifelte daran, ob sie durchhalten konnte.
Plötzlich wurde sie aus ihren Zweifeln gerissen. Ein Rhythmus, der im Hintergrund ihrer Gedanken wie eine Art Uhr getickt hatte, veränderte sich plötzlich. Sie wußte nicht sicher, ob die Veränderung eben erst stattgefunden hatte oder ob sie sie jetzt erst bemerkt hatte. Als sich ihre telepathischen Gedanken den Zwillingen näherten, erkannte sie, daß der goldene Teich, der sie mit Sirenengesang angelockt hatte, nicht mehr ruhig und friedlich war. Seine Aktivität hatte sich verstärkt, und er erinnerte an einen Dynamo, der laufend eine leuchtende Psi-Energie produzierte.
Es wäre vernünftig gewesen, sich zurückzuziehen und nicht auf eigene Faust weiterzuforschen. Zumindest hätte sie Viktor vorher fragen müssen. Sie erinnerte sich noch zu gut an seinen Zorn. Aber Viktor war schon voll und ganz damit beschäftigt, Peter Moray für den nächsten Tag vorzubereiten, und sie durfte eine Psi-Quelle dieser Stärke nicht einfach außer acht lassen. Sorgfältig errichtete sie ihre wirksamste Barriere und näherte sich dem verzehrenden Feuer. Von den Zwillingsherzen, die in dem goldenen Teich geruht hatten, war nichts mehr zu entdecken. Das Ding, das ihr gegenüberstand, war eine Einheit. Sie hatte auf der telepathischen Ebene bisher noch nie etwas Ähnliches entdeckt. Obwohl es wie ein Spiralnebel kreiste, war es paradoxerweise doch in sich geschlossen. Kein zusammenhängender Gedanke entfloh diesem geschlossenen System – und doch wußte sie irgendwie, daß sie einer Intelligenz gegenüberstand, die weit über ihr lag.
So eine Existenz konnte nicht ohne eine Verständigungsmöglichkeit existieren. Das wäre eine Negation all der Erfahrungen gewesen, die sie auf der telepathischen Ebene gemacht hatte. Sie behielt ihre Abschirmung bei und tastete sich mit einem Gedankenstrahl vorsichtig weiter. Sie beruhigte sich selbst, indem sie sich vorsagte, daß so ein Wesen vielleicht gleichgültig, niemals aber bösartig sein konnte …
Eine plötzliche, lautlose Explosion, und ein Arm des Spiralnebels streckte sich aus. Sie wurde umhüllt von der flammenden Energie.
Ihre Abschirmung war verschwunden, die Ausläufer des Feuers drangen durch ihre Schutzwälle, als existierten sie überhaupt nicht. Ihr Bewußtsein war von dem Schock wie gelähmt. Sie nahm nur wahr, daß jedes Atom ihres Körper-Geist-Komplexes
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