Das Labyrinth des Maal Dweb

Kettenglieder einschlug, die das Opfer umschlangen, und sie sogleich bis zur Weißglut erhitzten. Die Natur und der Ursprung der Flamme blieben allen ein Rätsel. Viele schrieben sie dem Gott selbst anstelle einer irdischen Kraft zu …
    Gerade eben sind sie fortgegangen und haben mich allein zurückgelassen. Schon jetzt ist mir der Druck der schweren Kettenglieder, die sich tiefer und tiefer in mein Fleisch graben, zur Folter geworden. In den Abgrund zu starren, lässt mich schwindeln – dennoch kann ich ja den Halt nicht verlieren und nicht hinabstürzen in die Schwärze.
    Von unten herauf, aus dem bodenlosen Schlund, dringt in regelmäßiger Folge ein dumpfes und getragenes Geräusch an mein Ohr. Es mag das Seufzen versunkener Gewässer sein … das Stöhnen von Winden, die durch unterirdische Höhlen streichen … oder das Atmen von einem, der in der Finsternis haust und mit seinem Odem die träge fließenden Minuten, die Stunden, die Tage, die Zeitalter hervorbringt. Größer als die Last der Ketten ist jetzt mein Grauen, ein zweifacher Abgrund verschuldet mein Schwindeln …
    Äonen sind verflossen, und sämtliche Welten sind zu Nichts zerronnen wie Wrackteile, die mit einer gewaltigen Sturzflut in den Abgrund rauschen. Das unwiederbringliche Antlitz meiner Belthoris aber haben sie mit sich in die Leere gerissen.
    Noch immer schwebe ich über dem klaffenden Schattenschlund. Auf unerfindliche Weise, in einer anderen Welt, hat eine Traumgestalt in ferner Verbannung diese Worte geschrieben … eine Traumgestalt, die spurlos getilgt werden wird aus Zeit und Raum, ganz so wie ich selbst, der verurteilte Priester Calaspa. Der Name der Traumgestalt ist mir entfallen.
    Unter mir, in der abgründigen Schwärze, erglimmt ein grausiges Leuchten …

Ein Trank für die Mondgöttin
    I
    »Ich glaube«, verkündete Morley, »dass keinesfalls alle der dachlosen Tempel von Mu dem Sonnenkult dienten, sondern dass viele davon dem Mond geweiht waren. Und ich bin überzeugt, dass der Tempel, den wir da eben entdeckt haben, diese Annahme stützt. Bei diesen Hieroglyphen handelt es sich ganz ohne Zweifel um Mondsymbole.
    Thorway, wie Morley vom archäologischen Fach, bedachte seinen Gefährten mit einem verwunderten Blick. Sein Erstaunen galt nicht nur der kühnen Behauptung, die Morley mit solcher Entschlossenheit geäußert hatte. Nicht zum ersten Mal verblüfften ihn auch der eigentümliche Klang von Morleys Stimme und der Gesichtsausdruck des anderen. Das träumerische, bartlose Antlitz, in dessen olivfarbenen Zügen irgendein eingeborener indogermanischer Typus durchzuschlagen schien, wurde verklärt von einem Ausdruck verzückter Entrückung. Auch Thorway konnte Begeisterung an den Tag legen, wenn es den Umständen entsprach. Doch diese fast schon religiöse Inbrunst fand er nur schwer begreiflich. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, ob die Gemütsart seines Kollegen nicht ein wenig … überspannt war.
    Dennoch murmelte er eine Erwiderung, die respektvoll, wenn auch unverbindlich ausfiel. Immerhin hatte Morley nicht nur die Expedition finanziert, sondern darüber hinaus Thorway über zwei Jahre lang großzügig in Lohn und Brot gehalten. Daher vergab Thorway sich nichts durch eine respektvolle Haltung, auch wenn er die befremdlichen und eigenwilligen Ansichten seines Brötchengebers ein wenig ermüdend fand, ebenso wie er es leid war, endlos eine melanesische Insel nach der anderen abzuklappern. Von den ungeheuren vorsintflutlichen Steingesichtern der Osterinsel bis hin zu den pyramidenförmigen Säulenstümpfen der Marianeninseln hatten sie all jene weit verstreuten Überreste aufgesucht, die angeblich die Existenz eines einstigen Groß-Kontinents im mittleren Pazifik bewiesen.
    Nun hatten sie auf einem der kleineren und bislang unerforschten Eilande der Marquesas die mächtigen Mauern eines gewaltigen tempelartigen Bauwerks ausfindig gemacht. Wie üblich hatten sich die Ruinen nur schwer auffinden lassen. Denn derartige Stätten wurden von den Eingeborenen allgemein gefürchtet und gemieden, galten sie doch als heimgesucht von den Totengeistern der Vorzeit. Daher weigerten sich die Eingeborenen, die Forscher an jenen Ort zu geleiten oder auch nur dessen Lage preiszugeben. Morley selbst war auf die Ruinen gestoßen – ganz so, als hätte ihn ein unbewusster Instinkt geradewegs dorthin geführt.
    Ihnen war auch wirklich eine bedeutsame Entdeckung gelungen, wie selbst Thorway einräumen musste. Abgesehen von einigen wenigen