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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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Interesse war geweckt. Ein paar Fragen hier und da - es
bedurfte keiner großen Nachforschungen, um herauszufinden,
worum es ging: der Fall eines Vatermordes, der vor der Rostra zur
Verhandlung anstand. Sextus Roscius aus der Stadt Ameria ist
angeklagt, hier in Rom die Ermordung seines Vaters geplant zu
haben. Seltsam - niemand scheint viel über die Sache zu
wissen, aber jeder erklärt mir, daß ich lieber die
Finger davon lassen sollte. Ein häßliches Verbrechen,
sagen sie, und daß es garantiert einen häßlichen
Prozeß geben würde. Ich wartete die ganze Zeit darauf,
daß Hortensius erneut mit mir in Kontakt trat, aber sein
Monster tauchte nie wieder auf. Vor zwei Tagen hörte ich dann,
daß Hortensius die Verteidigung niedergelegt
hat.«
    Ich warf einen
Seitenblick zu Tiro. Er hatte die Augen gesenkt und sah mich kaum
an, aber ich konnte die Intensität seiner Konzentration
förmlich spüren. Er war ein ausgezeichneter Zuhörer.
Wäre er etwas anderes als ein Sklave gewesen, hätte er
sicher einen guten Schüler abgegeben, dachte ich; und in einem
anderen Leben, in einer anderen Welt wäre ich vielleicht ein
guter Lehrer junger Männer gewesen.
    Ich schüttelte
den Kopf. »Hortensius und seine Kreatur und dieser
geheimnisvolle Prozeß - ich hatte sie komplett aus meinen
Gedanken verbannt. Dann stehst du auf einmal vor meiner Tür
und sagst etwas von einer >Empfehlung<. Von wem?
Möglicherweise von Hortensius, dachte ich, der es offenbar
für klüger gehalten hat, diesen Fall von Vatermord an
einen Kollegen abzugeben. An einen jüngeren Advokaten mit
vermutlich geringerer Erfahrung. Einen Anwalt am Beginn seiner
Karriere, der die Aussicht auf einen bedeutenden Fall oder
zumindest einen Fall, bei dem eine so grausame Strafe droht,
aufregend finden könnte. Einen Anwalt, der es nicht besser
weiß - der nicht in einer Position ist zu wissen, was immer
Hortensius weiß. Nachdem du bestätigt hattest, daß
in der Tat Hortensius mich empfohlen hatte, war der Rest der
Erklärung leicht, geleitet von den Reaktionen in deinem
Gesicht - das übrigens so klar und leicht zu lesen ist wie
Catos Latein.« Ich zuckte die Schultern. »Ein wenig
Logik, ein wenig Instinkt. In meinem Gewerbe habe ich beides
anzuwenden gelernt.«
    Wir gingen eine Weile
schweigend weiter. Dann lächelte Tiro und lachte
schließlich. »Du weißt, warum ich gekommen bin.
Und du weißt, was ich dich fragen wollte. Ich mußte
kaum etwas sagen. Du machst es mir sehr leicht.«
    Ich zuckte erneut die
Schultern und spreizte meine Hände in einer typisch
römischen Geste falscher Bescheidenheit.
    Tiro runzelte die
Stirn. »Wenn ich jetzt nur deine Gedanken lesen könnte -
aber ich fürchte, da muß ich noch ein wenig üben.
Oder bedeutet die Tatsache, daß du mich so gut behandelt
hast, schon, daß du einverstanden bist - daß du Cicero
deine Dienste zur Verfügung stellen wirst? Hortensius hat ihm
erklärt, wie du arbeitest und welches Honorar du erwartest.
Wirst du es tun?«
    »Was tun? Ich
fürchte, meine Fähigkeit, Gedanken zu lesen, endet hier.
Du wirst dich schon etwas präziser ausdrücken
müssen.«
    »Wirst du
mitkommen?«
    »Wohin?«
    »Zu Ciceros
Haus.« Tiro sah mein ausdrucksloses Gesicht und bemühte
sich um eine noch deutlichere Erklärung. »Um ihn zu
treffen und den Fall mit ihm zu besprechen.«
    Ich blieb so abrupt
stehen, daß meine Sandalen tatsächlich eine kleine
Staubwolke aufwirbelten. »Dein Herr hat wirklich nicht die
leiseste Ahnung von Etikette, was? Er bittet mich in sein Haus.
Mich, Gordianus den Sucher? Als Gast? Sehr merkwürdig. Ja, ich
glaube, ich möchte diesen Marcus Tullius Cicero unbedingt
kennenlernen. Und er braucht weiß der Himmel meine Hilfe. Das
muß ja ein ganz seltsamer Mensch sein. Ja, natürlich
werde ich kommen. Laß mir nur ein wenig Zeit, mich passender
zu kleiden. Meine Toga am besten. Und Schuhe, keine Sandalen. Es
dauert nur einen Moment. Bethesda! Bethesda!«

2
    Die Strecke von meinem
Haus auf dem Esquilinischen Hügel zu Ciceros Anwesen unweit
des Kapitolinischen würde zu Fuß mehr als eine Stunde in
Anspruch nehmen. Wahrscheinlich hatte Tiro nur halb so lange
gebraucht, aber er war auch schon bei Dämmerung aufgebrochen.
Wir machten uns hingegen zur geschäftigsten Morgenstunde auf
den Weg, in der die Straßen Roms vor Menschen wimmeln, die
von den ewigen Antriebskräften Hunger, Gehorsam und Gier aus
dem Schlaf gerissen worden sind.
    Zu dieser Tageszeit
sieht man mehr Haussklaven auf den Straßen

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