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Das Lächeln des Cicero

Das Lächeln des Cicero

Titel: Das Lächeln des Cicero Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Saylor
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auf das göttliche Wesen beraubt,
das hier einst residierte, aber trotzdem aus irgendeinem Grund, an
den sich kein Lebender mehr erinnern kann, noch immer für
heilig gehalten.
    Andere
Sehenswürdigkeiten sind Besonderheiten ihres speziellen
Viertels. Nehmen Sie beispielsweise meine Nachbarschaft mit ihrer
seltsamen Mischung aus Tod und Lust. Mein Haus liegt ein kleines
Stück den Esquilin hinauf. Oberhalb befindet sich das Quartier
der Arbeiter aus der Leichenhalle, die sich um das Fleisch der
Toten kümmern - Einbalsamierer, Parfümierer und Heizer
der Öfen. Tag und Nacht steigt vom Gipfel des Hügels eine
fette Rauchsäule auf, dicker und schwärzer als irgendeine
andere in dieser Stadt des Qualms, und mit dem
seltsam-süßlichen Geruch versengenden Fleisches, den man
sonst nur auf Schlachtfeldern wahrnimmt.
    Unterhalb meines
Hauses, am Fuß des Hügels, liegt die berüchtigte
Subura, die größte Ansammlung von Tavernen,
Spielhäusern und Bordellen westlich von Alexandria. Die
Nähe solch ungleicher Nachbarn - die Krämer des Todes auf
der einen, die Händler der niedersten Gelüste des Lebens
auf der anderen Seite - kann bisweilen zu sonderbaren Begegnungen
führen.      
    Tiro und ich stiegen
den gepflasterten Pfad hinunter, der steil von meiner Haustür
entlang den grobverputzten Mauern meiner Nachbarn abfiel.
»Sei an dieser Stelle vorsichtig«, warnte ich und
zeigte auf einen Fleck, an dem uns, wie ich wußte, eine
frische Ladung Exkremente erwartete, die von den Bewohnern des
Hauses zur Linken über die Mauer geworfen worden war. Tiro
wich nach rechts aus, den Haufen nur knapp verfehlend, und
rümpfte die Nase.
    »Das lag auf dem
Hinweg aber noch nicht da«, sagte er lachend.
    »Nein, sieht
ziemlich frisch aus. Die Dame des Hauses«, erklärte ich
ihm seufzend, »stammt aus einem hinterwäldlerischen Kaff
in Samnium. Ich habe ihr schon hundertmal erklärt, wie das
öffentliche Abwassersystem funktioniert, aber sie erwidert
immer nur: So haben wir es in Plutos Loch, oder wie dieses
Drecksnest sonst heißen mag, auch immer gemacht. Es bleibt
nie lange liegen; irgendwann im Laufe des Tages sammelt der Mann,
der hinter der Mauer zur Rechten wohnt, den Mist auf und
transportiert ihn weg. Ich weiß auch nicht, warum; dieser
Pfad führt nur zu meiner Tür - ich bin der einzige, der
den Anblick ertragen muß, und der einzige, der ständig
Gefahr läuft hineinzutreten. Vielleicht stört ihn der
Gestank. Vielleicht düngt er auch seinen Garten damit. Ich
weiß nur, daß es einer der vorhersagbaren Abläufe
meines Lebens ist - die Dame aus Plutos Loch schmeißt jeden
Morgen die Familienscheiße über die Mauer, und der Mann
von gegenüber schleppt sie vor Anbruch des Abends weg.«
Ich schenkte Tiro mein freundlichstes Lächeln. »Das
erkläre ich jedem, der mich möglicherweise zwischen
Sonnenaufgang und Sonnenuntergang besucht. Sonst könntest du
dir noch deine guten Schuhe ruinieren.«
    Der Pfad wurde
breiter. Die Häuser wurden kleiner und duckten sich näher
aneinander. Schließlich erreichten wir den Fuß des
Esquilin und traten auf die breite Via Subura. Ein Trupp
Gladiatoren mit bis auf einen barbarischen Haarkamm kahlgeschorenen
Köpfen taumelte aus der Höhle der Venus. Die Höhle
ist berüchtigt dafür, ihre Gäste zu neppen, vor
allem Touristen, aber auch Einheimische. Ich habe sie trotz der
bequemen Nähe zu meinem Haus nie frequentiert. Geneppt oder
nicht, die Gladiatoren sahen jedenfalls zufrieden aus. Sie
stolperten auf die Straße, hielten sich gegenseitig an den
Schultern und grölten, noch immer betrunken von einer offenbar
langen und ausschweifenden Nacht, ein Lied, das so viele Melodien
hatte wie ihr Chor Stimmen.
    Am Rande der
Straße löste sich eine Gruppe junger Trigon-Spieler in
alle Richtungen auf, um den Gladiatoren Platz zu machen, bevor sie
sich zur nächsten Runde versammelten, wobei jeder seine
Position an einem Eckpunkt eines Dreiecks einnahm, das sie in den
Staub gemalt hatten. Sie schlugen laut lachend einen Ball hin und
her. Es waren fast noch Kinder, aber ich hatte sie oft genug den
Seiteneingang der Höhle betreten oder verlassen sehen, um zu
wissen, daß sie dort angestellt waren. Es war ein Zeugnis
für die Energie der Jugend, daß sie nach einer langen
Arbeitsnacht im Bordell schon so früh wieder auf den Beinen
waren und Ball spielten.
    Wir bogen rechts ab
und folgten den betrunkenen Gladiatoren auf der Via Subura in
westlicher Richtung. Vor uns mündete eine weitere

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