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Das Lächeln des Leguans

Titel: Das Lächeln des Leguans Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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hinter uns gelassen, die schäumenden
     Fluten ziellos durchwirkt und die ganze Zeit das Gefühl gehabt hatten, endlos dahinzuschweben wie zwei verirrte Astronauten,
     war die Insel plötzlich direkt vor dem Bug aufgetaucht und hatte, schon so nah, dass man sich die Nase daran hätte stoßen
     können, die schwere Watte wie ein moosbewachsener Schädel durchstoßen. Eine jurassische Schildkröte. King Kongs Leichnam direkt
     vor unserer Küste. Ein gigantischer Hummer aus längst vergangenen, fernsehlosen Zeiten. Die Île aux Œufs, unsere persönliche
     Osterinsel, ein Ableger der Galapagos, der uns jungen Adepten des Leguans ganz allein gehörte.
    Das Merkwürdigste an den Vögeln war ihr Schweigen. Kein einziger Schrei ertönte, nicht eine Feder war zu sehen. Die Vögel
     staunten über diesen seltenen Besuch und wunderten sich über die Dreistigkeit von uns Flügellosen. Sie wirkten jedoch keineswegs
     eingeschüchtert. Diese albernen Badewannenspieltiere wichen uns noch nicht einmal aus, sodass wir sie umschiffen mussten;
     als wollten sie uns die Weiterfahrt versagen. Die Insel selbst war karg, unwirtlich, bewehrt mit riesigen zerfurchten Gestalten.
     Sie bestand aus lauter hochmütigen Vorsprüngen und Verwerfungen und ruhte stolz wie in jäher Aufwärtsbewegung, einem uranfänglichen
     Hervorbrechen, dem Drang, den horizontalen Frieden des Wassers zu stören, erstarrt auf ihren schleimigen Flanken.Wir glitten über die verfaulten Zähne der Riffe und über Klippen mit wogendem Algenhaar. Wir umfuhren die Sandbänke und tückische
     Strudel, ohne den weit aufgerissenen, irren Vogelaugen, die unsere Seelen im Vorbeifahren bloßlegten, Beachtung zu schenken,
     und gelangten schließlich ans westliche Ende der Insel. Dort sahen wir auf einer von Horden krallenbewehrter, speiender Dämonen
     belagerten, guanobesprenkelten Spitze die in Nebel gehüllte stattliche Gestalt des alten Leuchtturms. Schon seit geraumer
     Zeit dürfte das Signal des melancholischen Leviathans keine einsamen Finnwale mehr erreicht haben; dieses Vorrecht beanspruchte
     inzwischen der andere skelettartige Roboter für sich, jener schemenhafte Terminator, der in einiger Entfernung aufragte. Doch
     obwohl er nur noch von Möwen und den Geistern Ertrunkener heimgesucht wurde, stand der unnahbare Bergfried des Antisüdens
     nach wie vor an seinem Platz.
    Der verlassene Leuchtturm war unser Ziel, der verabredete Treffpunkt. An seinem Fuß ließ sich eine Landzunge aus grauem Sand
     vom Meer umschmeicheln, und dort legten wir an und wateten durch sämiges Wasser, das von bebenden Schaumhelmen gekrönt war.
     Wir sprachen nicht. Wir hatten nichts zu bereden. Während ich unser Lager errichtete, erkundete Luc den Strand und hockte
     sich dann auf einen Felsen, um zu rauchen und abzuschätzen, wie sich das Wetter wohl entwickeln würde. Sein Austerngesicht
     ließ keinerlei Gefühlsregung erahnen,doch das Funkeln in der Tiefe seines asiatischen Blicks verriet mir, dass er insgeheim von einem Fuß auf den anderen trat.
     
    *
     
    Die Flut ist allmählich höher gestiegen und hat uns immer näher an die Felsen gedrängt, dann hat der Tag abgedankt und die
     Nacht ist herangeschlichen. Der Nebel will nicht weichen. Um ihm die Feuchtigkeit zu entziehen, habe ich ein Feuer gemacht,
     das aus dieser Waschküche einen Lichtdom herausfiltert, und während Luc auf und ab geht, denke ich an Mama, die sich dort
     drüben, jenseits des Nebels, wahrscheinlich Sorgen macht, und an meine Großeltern, die bestimmt die Post für den nächsten
     Tag liegen lassen. Was würde ich darum geben, mit ihnen in Großmutters Wohnzimmer zu sitzen, statt auf diesem finsteren Inselplaneten,
     aber ich tröste mich damit, dass die schräge Odyssee sich allmählich ihrem Ende zuneigt. Noch heute Abend wird sich der wahre
     Wert der Träume erweisen und bei Tagesanbruch werden wir in die gewohnte Realität zurückkehren. Man wird uns erwarten. Bestimmt
     werden wir uns der Polizei stellen müssen, und was dann? Wird man uns zuhören und Verständnis entgegenbringen? Wird man uns
     glauben, dass der Schweinehund an allem schuld ist? Werden sie, die schon seit Langem keine Kinder mehr sind, die magischen
     Kräfte des Golfspielers ermessen können? Aber das Morgen ist für Luc noch in weiter Ferne und er schert sich keinenDeut darum. Er hat andere Sorgen, er muss das ungeduldige Warten aushalten und über die Finsternis dieser entscheidenden Nacht
     der siebten Flut wachen. Morgen

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