Das Land der Pelze
längs des Ufers auf den Weg nach Fort-Esperance.
Natürlich ging man jetzt, da die Schlitten vollkommen beladen waren, zu Fuß. Es waren nur zehn Meilen, jedoch in gerader Linie, zurückzulegen. Nun sagt aber ein englisches Sprichwort: »Nichts ist so lang als ein Weg, der gar keine Ecken macht«, und dieses Sprichwort hat vollkommen Recht.
Um die Langeweile des Weges hinweg zu täuschen plauderten die Wanderer wohl von Dem und Jenem. Mrs. Paulina Barnett mischte sich häufig in das Gespräch und zog aus den Specialkenntnissen der wackeren Jäger für sich manche Belehrung. Alles in Allem kam man aber nicht allzu rasch vorwärts. Die Fleischmassen waren für die Hunde eine tüchtige Last, und die Schlitten glitten nicht zum Besten. Auf fester Schneefläche hätten die Hunde die Entfernung zwischen der Walroß-Bai und Fort-Esperance mit Bequemlichkeit in noch nicht zwei Stunden zurückgelegt.
Mehrere Male mußte Lieutenant Hobson Halt machen lassen, um die Thiere, deren Kräfte zu Ende gingen, verschnaufen zu lassen. Das veranlaßte den Sergeant Long zu dem Ausspruche:
»In unserem Interesse hätten die Walrosse auch eine dem Fort näher gelegene Lagerstätte auswählen können.
– Sie würden keine geeignete Stelle dazu gefunden haben, antwortete Lieutenant Hobson kopfschüttelnd.
– Und warum das, Herr Hobson? fragte Mrs. Paulina Barnett, erstaunt über diese Antwort.
– Weil diese Amphibien nur die sanft abfallenden Küsten besuchen, auf denen sie kriechend das Meer verlassen können.
– Aber das Ufer des Caps? …
– Das Ufer des Caps, erwiderte Jasper Hobson, ist steil wie eine Festungsmauer, und zeigt nirgendswo eine schiefe Ebene. Es erscheint wie lothrecht abgeschnitten. Das, Madame, ist wiederum eine für jetzt unerklärliche Eigenthümlichkeit dieser Landstrecke, und wollten unsere Leute an seinem Gestade fischen, so müßten ihre Schnuren, um bis zum Grunde zu reichen, wohl dreihundert Faden lang sein! Woher diese Bildung stamme? – Ich weiß es nicht, doch verleitet mich die Thatsache zu der Annahme, daß vielleicht vor vielen Jahrhunderten einst ein Theil des Continentes durch vulkanische Kräfte abgerissen wurde und im arktischen Oceane untergegangen sein mag!«
Sechzehntes Capitel.
Zwei Schüsse.
Die erste Hälfte des Monats September war verflossen.
Wäre Fort-Esperance am Pole selbst gelegen gewesen, d.h. also noch um zwanzig Grad nördlicher, so würde es am 21. desselben Monats die Polarnacht schon mit ihren Schatten umhüllt haben. Ueber diesem siebenzigsten Breitengrade aber zog die Sonne wohl noch einen Monat lang ihre Kreise über dem Horizonte. Nichts desto weniger sank die Temperatur schon sehr fühlbar, und in der Nacht fiel das Thermometer gelegentlich bis auf - 1° C. Da und dort bildete sich junges Eis, das freilich die Sonnenstrahlen während des Tages wieder schmolzen. Manchmal mischte sich ein kurzes Schneegestöber unter die Regenschauer und die Windstöße. Offenbar war die schlechte Jahreszeit nahe.
Die Bewohner der Factorei konnten dieser jedoch sorglos entgegen sehen. Der aufgespeicherte Proviant versprach die ganze Zeit über, und wohl noch länger, auszureichen. Der Vorrath an trockenem Wildpret hatte wesentlich zugenommen, auch waren noch weiter gegen zwanzig Walrosse erlegt worden. Mac Nap hatte auch Zeit gefunden, einen wohlverwahrten Stall für die Rennthiere, welche man im Fort hielt, und einen geräumigen Schuppen zur Aufnahme des Heizmateriales zu errichten.
Der Winter, das will sagen: die Nacht, der Schnee, das Eis, die Kälte konnten nun kommen; man war auf Alles vorbereitet.
Nach Sicherung der späteren Bedürfnisse der Bewohner des Forts faßte Jasper Hobson aber auch die Interessen der Compagnie in’s Auge. Es war die Zeit gekommen, während der die Thiere, welche ihr Winterfell wieder bekommen haben, die schätzbarste Beute sind. Jetzt konnte man sie durch Pulver und Blei erlegen, während später, wenn sich die Schneedecke gleichmäßig ausgebreitet hatte, Schlingen und Fallen aufgestellt werden sollten. Jasper Hobson organisirte also förmliche Jagdzüge.
Die Concurrenz von Seiten der Indianer war in diesen hohen Breiten kaum zu fürchten, da diese gewöhnlichen Lieferanten der Factoreien meist nur südlichere Gebiete durchstreifen. Lieutenant Jasper Hobson, Marbre, Sabine und zwei bis drei ihrer Genossen sollten also für die Compagnie jagen, und es ist einleuchtend, daß es ihnen nicht an Arbeit fehlte.
An einem Arme des kleinen Baches,
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