Das Land der Pelze
außerordentlichen Kälte ausgesetzt gewesen sein, und das auch eine sehr lange Zeit hindurch. Später hat dann Sand und Erde diese Eisschicht, welche höchst wahrscheinlich auf einem Bette von Granit ruht, überdeckt.
– Das mag sein, Herr Lieutenant, antwortete der Jäger, für unsere Fallgrube ist es aber gar nicht schädlich. Im Gegentheil werden die Rennthiere darin eine sehr glatte Wand ohne jeden Anhaltepunkt vorfinden.«
Marbre hatte Recht, und die Zukunft bestätigte seine Voraussicht.
Als Sabine und er am 5. December nach der Grube gegangen waren, hörten sie ein dumpfes Brummen daraus hervor kommen. Sie hielten an.
»Das ist aber kein Rennthierschrei, sagte Marbre; das Thier, welches sich da drinnen gefangen hat, könnte ich wohl nennen.
– Ein Bär? fragte Sabine.
– Ja, nickte Marbre, dessen Augen freudig erglänzten.
– Nun, meinte Sabine, bei solchem Tausche werden wir nichts einbüßen. Ein Beefsteak vom Bären ist wohl so viel werth, wie ein solches vom Rennthier, und das Fell haben wir obendrein! Vorwärts denn!«
Die beiden Jäger waren bewaffnet. Sie luden noch eine Kugel auf ihre schon mit Hagel geladenen Gewehre, und begaben sich nach der Grube. Die Schaukel war wieder an richtiger Stelle, aber der Köder war verschwunden, und wahrscheinlich mit in die Grube hinabgefallen. Das Brummen wurde lauter; ohne Zweifel rührte es von einem Bären her. In einer Ecke der Grube hockte eine gigantische Masse, ein wahres Pack von weißem Pelze das in dem Dunkel kaum zu erkennen war, aber in dessen Mitte zwei funkelnde Augen leuchteten. Die Wände der Grube erschienen von Tatzenschlägen zerkratzt, und hätte sich der Bär, wenn sie nur aus Erde bestanden, gewiß einen Ausweg in’s Freie verschafft. Auf dieser gleitenden Fläche aber vermochten seine Tatzen nicht zu haften, und wenn er sein Gefängniß sich auch ein wenig erweitert hatte, so hatte er mindestens nicht daraus entweichen können.
Jetzt bot es also keine Schwierigkeit, sich des Riesen zu bemächtigen. Von zwei Kugel getroffen, sank er auf dem Grunde der Grube zusammen, und bestand das größte Stück Arbeit darin, ihn heraus zu ziehen. Die beiden Jäger kehrten nach der Factorei zurück, um sich Unterstützung zu holen. Etwa zehn ihrer Genossen folgten ihnen mit Stricken belastet nach der Grube, aus der das große Thier auch dann nur mühsam herauf zu bringen war. Es war ein riesiges Exemplar von sechs Fuß Höhe und mindestens sechshundert Pfund Gewicht, das eine ungeheure Stärke besessen haben mußte. Durch seinen platten Kopf, den länglichen Körper, die kurzen und wenig eingebogenen Krallen, die seine Schnauze und das vollkommen weiße Fell gehörte es zu der Unterart der sogenannten Weißen Bären. Die eßbaren Theile des Kolosses wurden in Mrs. Joliffe’s Hände sorgfältig abgeliefert, und figurirten bei der Mahlzeit an diesem Tage als hauptsächlichstes Fleischgericht.
In der folgenden Woche lieferten die Fallen noch so manchen Fang. Man erbeutete gegen zwanzig Zobelmarder, deren Winterfell jetzt am schönsten war, jedoch nur zwei bis drei Füchse. Diese schlauen Thiere witterten wohl die ausgelegten Köder, gewöhnlich aber höhlten sie den Erdboden unter und neben der Falle auf, gelangten auf diese Weise zur Lockspeise und wußten sich dann unter der über ihnen zugeschlagenen Falle wegzustehlen. Sabine brachte diese Erfahrung ganz außer sich, und der Jäger erklärte eine solche Ausflucht für »ganz unwürdig eines anständigen Fuchses!«
Am 10. December war der Wind nach Südwesten umgesprungen; wieder fiel Schnee, aber nicht in großen Flocken. Es war ein seiner, nicht sehr reichlicher Schnee, der sich aber sofort zu Eis umwandelte, gleichzeitig auch eine tüchtige Kälte, und diese bei steifem Winde kaum zu ertragen. Man mußte sich demnach von Neuem kaserniren und die Stubenarbeiten wieder vornehmen Der Vorsicht halber vertheilte Jasper Hobson an seine Leute Kalkpastillen und Citronensaft, da die anhaltende feuchte Kälte deren Gebrauch räthlich erscheinen ließ. Uebrigens war bisher noch bei keinem Inwohner von Fort-Esperance nur ein einziges Zeichen von Scorbut aufgetreten. Dank den getroffenen hygienischen Vorsichtsmaßregeln erlitt die allgemeine Gesundheit keinerlei Störung.
Jetzt war es tiefe Polarnacht. Das Winter-Solstitium rückte heran, das heißt, die Zeit, in der das Tagesgestirn am tiefsten unter den Horizont der nördlichen Erdhälfte taucht. Bei dieser mitternächtlichen Dunkelheit färbte
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