Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
Bedürfnissen von Menschen orientieren. Dafür orientieren sie sich an den Bedürfnissen von Autos. Überspitzt gesagt: Wir verzichten generell auf Teile unserer Zukunft und der unserer Kinder – und haben Angst, auf diesen Verzicht verzichten zu müssen.
Warum tun wir das? Unser Leben ist geprägt von Gewohnheiten und Werten, die aus einem bestimmten Denken entstanden sind und sich verfestigt haben. Und diese funktionieren teilweise automatisch weiter, auch wenn sich das Denken jetzt ändert. Das habe ich auch erfahren müssen. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn sich auch Gutwillige fragen, wie die Veränderung kommen soll, wenn selbst wir, die wir sie wollen, sie teilweise blockieren.
Es ist wichtig, die jeweilige Blockade nicht als Niederlage oder als Sündenfall zu betrachten. Es geht nicht darum, nach jedem Steak beichten zu gehen. Die Integration eines ökologischen Faktors in den eigenen Wertekanon ist keine neue Weltreligion für Menschen im Zeitalter von Säkularisierung und nach dem Ende der Ideologien, wie gerne behauptet wird. Es ist eine zivilisatorische Selbstverständlichkeit. Ich glaube nicht an Öko. Ich glaube, dass wir einen historischen Bruch erleben, an dem ein gesellschaftliches Modell an seine absoluten Grenzen gerät und nur durch einen kulturellen Wandel verändert werden kann. Das entscheidend Neue besteht darin, dass wir die großen Themen der Gegenwart und Zukunft – das ist nicht nur Klimawandel, aber in diesem Thema sind alle anderen sozialen und ökologischen Probleme enthalten – nicht mehr ignorieren, sondern uns ihnen stellen. Hierbei braucht es ein Bündnis zwi schen Bürgern und Politik. Es ist an der Zeit, Verantwortung zu übernehmen und die richtigen, erforderlichen Schritte einzuleiten.
In der ersten Phase meines Lebens ist mein Bewusstsein geprägt worden. Das war vorrangig politisches Bewusstsein, bestimmt durch das Land, in dem ich aufgewachsen bin. Engagement und Verantwortung für das Ganze war eines der wesentlichen Prinzipien, auch wenn sie, wie ich heute weiß, eher uns Kinder gelehrt wurden, als sie von den Leuten in den oberen Rängen der Hierarchie praktiziert wurden. Dann kamen der Mauerfall, die Wiedervereinigung, die 90er und damit andere Themen. Auf der Grundlage des Alten und der Verarbeitung des Neuen hatte ich als Studentin den Traum, Aktivistin bei Greenpeace zu werden oder wenigstens Ärztin auf einem Greenpeace-Schiff. Diesen Traum habe ich nie in die Tat umsetzen können. Aber es gab ein Gefühl, noch nicht basierend auf konkretem Wissen, aus dem irgendwann die Einsicht wuchs, dass es notwendig ist, ein ökologisches Bewusstsein zu entwickeln. Seit ein paar Jahren habe ich dieses konkrete Wissen, und mir wurde klar: So können wir nicht weitermachen. Jetzt bin ich erwachsen, habe zwei Kinder und habe mich auf den Weg gemacht. Auch wegen dieser Kinder, aber nicht nur deshalb.
Ich sehe mich nicht als Vorbild für einen ökologisch bewussten Lebensstil, das dürfte nach Lektüre dieses Buches klar sein. Ich habe mehrere Identitäten. Die der ressourcenaufwendig agierenden Schauspielerin, die der sorgenden und besorgten Mutter meiner Kinder, die einer Frau, die im Leben steht und daran teilnehmen und sich damit auseinandersetzen will – und die dabei Erkenntnisse gewonnen hat.
Die wichtigste Erkenntnis betrifft die Frage meiner Schwester, was der Einzelne tun kann. Meine Antwort lautet: anfangen. Einfach anfangen. Sich auf den Weg machen. Andere ermutigen oder überzeugen, sich auch auf den Weg zu machen.
Das heißt nicht, dass man nie mehr fliegt und Vegetarier wird, sondern dass man da Prioritäten setzt, wo es wichtig ist und auch etwas bringt. Sich auf den Weg machen beinhaltet, dass es keine privatistische Sache ist. So kann ich zwar den ökologischen Einsiedler respektieren, sehe ihn aber nicht als Teil der Lösung.
Der Klimawissenschaftler Anders Levermann hat aufgezeigt, dass es wichtig sein kann zu fliegen, wenn man dadurch etwas bewirkt. Und dass es falsch sein kann, nicht zu fliegen, wenn man dadurch die Chance verpasst, andere zu erreichen. Ich folge dem Politiker Boris Palmer in seiner lebensnahen Erkenntnis, dass es nicht darum geht, zu verlangen, was eigentlich gut wäre. Sondern anzubieten, was tatsächlich und jetzt zu verbessern ist. Vegetarismus hat nicht die Kraft für eine Massenbewegung von der Größe, wie wir sie brauchen. Es kann und wird diese Bewegung aber geben können, wenn wir uns in dieser Gesellschaft auf eine
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