Das Leben ist eine Oeko-Baustelle
Wohlstandslebens langsam verabschieden müssen. Das ist hart. Aber auch spannend. Ich verstehe natürlich gut, warum Menschen hauptsächlich darüber nachdenken, was sie haben und was sie maximal rausholen können für sich. Diese Gesellschaft, in der wir leben, hält einem ja auch ständig vor, was wir an materiellen Zie len erreichen können. Nur selten geht es um Erlebnismöglichkeiten abseits vom Konsum. Es wird uns ständig eingebläut: Du könntest endlich auch diese größere Wohnung hier, ein tolleres Auto da, das atemberaubende Abendkleid dort haben.
Was mich um- und antreibt und zu diesem Buch motiviert, hat sicher damit zu tun, dass ich Mutter von zwei Kindern bin: Mascha ist neun, Maximilian ist vier. Es hat weniger damit zu tun, dass ich als Ärztin tätig war und als Schauspielerin tätig bin. Vor allem aber hat es damit zu tun, dass ich mich als Teil unserer Gesellschaft fühle, einer Wohlstandsgesellschaft, in der ich Verantwortung übernehmen möchte: gegen den Mehltau der Le thargie, gegen unsere eigenen Ausreden und die gefühlte Unmög lichkeit, sich diesem komplexen Problem zu stellen. Es geht mir darum, zu beschreiben, was man selbst ändern kann. Im persönlichen Alltag. Das ist vielleicht nicht viel, aber es ist ein Anfang und bestimmt längst nicht das Ende.
Ich erzähle, was wir jetzt anders machen als früher und wo wir an Grenzen stoßen. Wie meine Freunde und Kollegen darauf reagieren. Wer mich für eine »Ökospinnerin« hält und vor allem auch: was es in einem ändert, wenn man sich auf diese Sache einlässt. Es geht auch um das wachsende Bewusstsein dafür, dass das Thema nicht mehr zu verdrängen ist, dass es nicht von selbst aus der Welt verschwinden wird und dass es nicht irgendwo isoliert im politischen Raum gelöst werden wird, sondern nur dann, wenn wir es selbst in die Hand nehmen.
Genau das vollzieht sich im Moment. Zumindest im Ansatz. Ich merke es daran, dass wir inzwischen ernsthaft darüber reden, was aus den Meeren, den Wäldern, der Natur, was aus der Erde wird. Das war vor einigen Jahren noch nicht so. Uns wird mehr und mehr bewusst, dass die Themen, mit denen wir uns beschäftigen müssen, weniger in der Vergangenheit und mehr in der Zukunft, vor allem aber im Jetzt liegen.
In diesem Buch finden sich Gespräche mit den verschiedensten Menschen darüber, was sich wie ändern muss, ändern kann, was unsere Grenzen, aber auch unsere Chancen sind. Von dem Potsdamer Klimawissenschaftler Anders Levermann will ich mir im Detail erklären lassen, wie es um das Klima steht und was er vorschlägt. Jonathan Safran Foer hat ein Buch mit dem Titel Tiere essen geschrieben, in dem er die Probleme der Massentierhaltung beschreibt und Wege aus dem Dilemma sucht. Er selbst ist Vegetarier geworden, verlangt das aber nicht von anderen. Oder doch? Darüber spreche ich mit ihm. Und nachdem ich mit einer vegetarischen Woche bei meinen Kindern gescheitert bin, spreche ich mit der Ernährungsmedizinerin Ute Gola über die Frage, wie man es richtig macht. Den langjährigen Air-Berlin-Chef Joachim Hunold kenne ich seit Längerem. Von ihm will ich wissen, wie man Wirtschaftswachstum, Arbeitsplatzsicherung und Bekämpfung des Klimawandels hinkriegen will. Was kann ein Politiker bewegen und wie kann er etwas bewegen? Das will ich von dem Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer wissen, der sein Amt mit einem Klimawandel-Wahlkampf gewann. Wie bekommt man es hin, dass eine ökologische Gesellschaft alle mitnimmt und niemanden ausschließt? Darüber spreche ich mit dem Soziologen und Klimakultur-Forscher Harald Welzer.
Der Autor Leo Hickman war mit seinem Buch Fast nackt eine Art Öko-Initiation für mich. Er beschreibt darin, wie er anfing, klimabewusst zu leben. Ich las – und versuchte, es ihm nachzumachen. Von ihm will ich wissen, wie es weiterging und ob er damit glücklich wurde. Und dann diskutiere ich mit meiner Schwester Simone. Ich spreche oft mit ihr. Aber für dieses Buch haben wir ein spezielles Gespräch geführt, weil unser Verhältnis in Sachen Ökobewusstsein vielleicht exemplarisch ist für andere Verhältnisse: Ich will sie bekehren, sie will sich natürlich nicht bekehren lassen. Wie kriegt man so eine schwierige Kommunikation richtig hin?
Es gibt da einen klugen Satz. Ich weiß nicht, von wem er ist, aber er gefällt mir. Er lautet: Wir denken nicht anders, weil die Welt sich geändert hat. Sondern: Die Welt wird sich ändern, weil wir anders denken.
Vielleicht ist genau
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