Das Leben kleben
sahen uns um. Es war ein unheimliches Geräusch, als wäre ihr Geist unter uns und wollte aus einer anderen Welt zu uns sprechen.
Charlies Tochter beugte sich zu ihm und flüsterte ihm ins Ohr: »Papa, du pfeifst!« »Oh. Tut mir leid. Tut mir leid.«
Er griff sich ans Ohr und stellte sein Hörgerät richtig ein.
Die Geste brach die Spannung. Alle lachten, wischten sich die Tränen ab und schritten energisch auf den Parkplatz zu. Es war schön und gut, über die Vergänglichkeit und den Tod nachzugrübeln, doch es wartete Arbeit auf uns - das Abendessen musste gekocht und das Leben gelebt werden. Ich steckte mein nasses Taschentuch ein, und dabei stieß ich mit den Fingern auf etwas Hartes, Langes, ganz unten in der Jackentasche. Es war ein Schlüssel. Ich fischte ihn heraus. Wo hatte ich ihn her? Wann hatte ich die Jacke zuletzt angehabt? Dann fiel es mir wieder ein. Als ich zum ersten Mal mit Mrs. Goodney am Canaan House verabredet war.
Erst auf dem Parkplatz merkten wir, dass wir Mrs. Shapiro verloren hatten. Leicht genervt teilten wir uns auf, um das Gelände abzusuchen. Alle wollten nach Hause. Ein kalter Wind war aufgekommen, und die vielen Emotionen hatten uns hungrig und müde gemacht. Es war Nathans Tati, der sie schließlich fand. Sie hatte vom Krematorium aus die Straße überquert und war auf den jüdischen Friedhof gegangen. Er fand sie zwischen den Grabsteinen herumwandernd und brachte sie zu uns zurück, die Hand fürsorglich unter ihren Arm geschoben. »Sie redet die ganze Zeit von irgendeinem Artisten«, flüsterte er mir zu. »Das arme alte Ding.«
46 - Die Penthouse-Party
Es war Mrs. Shapiros Idee, für das Penthouse eine Einweihungsparty zu geben. Die Gästeliste stellten wir eines Morgens bei einer Tasse Kaffee in der Küche zusammen. Die Sonne war herausgekommen, und eine milde, nach Blüten duftende Brise zog durch die offene Hintertür. Mrs. Shapiro sprudelte förmlich über. Sie hatte die Haare hochgesteckt und trug eine zerknitterte, nicht ganz weiße Bluse, ihre schicke braune Hose und dazu die
König-der-Löwen?Hmsschuhe.
Als sie meinen Blick sah, zuckte sie die Schultern.
»Sie sind ziemlich hässlich, nich wahr? Aber Wonder Boy liebt sie.«
»Mmh«, sagte ich.
»Wir könnten den reizenden alten Mann aus dem Krematorium einladen. Er ist ein guter Sänger. Schade, dass er so alt ist. Und seinen kleinen Sohn.« »Gute Idee. Wen noch?«
Es schien unglaublich, dass Mr. Ali und die Nichtsnutze es fertiggebracht hatten, auf dem Dachboden eine funktionierende Dusche und Toilette und drei Veluxfenster einzubauen, ohne dass es zu weiteren Missgeschicken kam - doch sie hatten es geschafft. Sie hatten ihre Sachen nach oben geräumt, und das ganze Gerumpel - vielmehr was davon übrig war - lagerte in einem Raum unter der Schräge, der zu niedrig war, um ein bewohnbares Zimmer daraus zu machen.
»Es wird eine musikalische Soiree. Oder vielleicht eine Gartenparty. Was meinen Sie, Georgine?«
»Ich denke, wir sollten flexibel bleiben. Man weiß nie, ob das Wetter mitspielt.«
»Sie sind sehr weise, Georgine.« Sie nickte, als hätte ich ihr eine profunde Erkenntnis über das menschliche Wesen anvertraut.
Oben hörten wir es klopfen und hämmern; Chaim und die Nichtsnutze legten letzte Hand an die Dielen. Sie hatten für einen Tag eine Schleifmaschine geliehen, ohne zu ahnen, wie viel Vorarbeit nötig war. Mr. Ali war wegen irgendeiner geheimnisvollen Erledigung zum Baumarkt verschwunden. Ich bemerkte, wie ordentlich es in der Küche war; an dem gespülten Geschirr im Abtropfgestell neben der Spüle lief noch der Seifenschaum herunter.
»Wenn sie mit dem Penthouse fertig sind, können wir mit Chaim und Mr. Ali vielleicht über die Küche reden.«
»Was fehlt denn in der Küche?«
»Wissen Sie noch, was Sie gesagt haben - Spülmaschine, Mikrowelle?«
Sie sah mich erstaunt an. Offensichtlich hatte sie ihre früheren Pläne vollkommen vergessen. Etwas anderes beschäftigte sie mehr.
»Also, Georgine, diese Party ist eine gute Gelegenheit, einen neuen Mann für Sie zu finden.«
»Ach, ja?« Beharrlich war sie, das musste man ihr lassen. »Wir laden meinen Nicky ein und den anderen auch, den Hübschen. Fast noch hübscher als Nicky, nich wahr?«
»Ja, sehr hübsch, aber ...«
Ich hatte ihr noch nicht gesagt, dass ich nicht mehr nach einem neuen Mann suchte, sondern nur den, den ich schon hatte, aufmöbeln wollte.
»Sie müssen sich mehr anstrengen, Georgine, wenn Sie sich einen
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