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Das Leben kleben

Das Leben kleben

Titel: Das Leben kleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marina Lewycka
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verbrannt, und Ben rief aus der Küche: »Kommt schnell! Der Reis brennt an!«
     
    Papa sagte immer: »Mir schmeckt's, wenn's ein bisschen angebrannt ist«, und das war gut so, denn meine Mutter tat ihm den Gefallen oft. Manchmal ging sie zu weit, zum Beispiel bei dem ersten Sonntagsessen, zu dem Rip bei uns in Kippax eingeladen war, als sie meinem Vater ein verkohltes, zusammengeschrumpeltes Hähnchen zum Zerlegen vorsetzte.
    »Das arme Ding sieht aus, als wäre es eingeäschert worden«, sagte mein Vater.
    »Asche ist gesund«, sagte Mama. »Hält die Verdauung in Gang.«
    Ich hatte Mama noch nicht erzählt, dass Rip wieder eingezogen war - ich wollte das Schicksal nicht herausfordern -, doch nach dem Essen rief ich sie an, um zu hören, wie Papas Operation gelaufen war. Sie war überschwänglich gut gelaunt. »Sie haben eine Bioptik gemacht. Die Ärzte sagen, es ist kein Krebs.« »Oh, Gott sei Dank. Wie geht's ihm so?«
    »Hat den Bauch voll Fritten. Das Essen im Krankenhaus ist so gut! Dann hat er sich mit seinem Bettnachbarn furchtbar über den Irak gestritten. Übrigens, Keir kommt heim. Habe ich dir das schon erzählt?«
    »Nein. Das sind gute Nachrichten.«
    Es würde schön sein, Keir wiederzusehen. Seit er bei der Armee war, waren unsere Welten auseinandergedriftet; inzwischen war es nur noch unsere Kindheit, die wir gemeinsam hatten, doch Mama hielt uns resolut zusammen, sie war der Klebstoff der Familie.
    »Hat uns übrigens reizende Blumen geschickt, deine Mrs. Sinclair. Und eine Karte. Beste Genesungswünsche.«
    »Ich wusste gar nicht, dass sie von Papa wusste.«
    »Oh, doch. Wir reden ab und zu. Manchmal ruft sie an. Oder ich rufe sie an.«
    »Wirklich?«
    Das war mir völlig neu. Ich versuchte mir vorzustellen, worüber Mama und Mrs. Sinclair sich wohl unterhielten. Dann ging mir auf, dass sie wahrscheinlich über uns redeten.
    Ich schenkte mir noch ein Glas Wein ein und legte die Füße aufs Sofa, während Rip und Ben die Reispfanne einweichten und die Küche aufräumten. Dann klingelte das Telefon.
    »Georgine, kommen Sie rasch! Wir haben eine Einladung!« Mrs. Shapiros rauchige Stimme schrillte durchs Telefon, doch ich hatte nicht vor, irgendwohin zu gehen. »Wozu sind wir eingeladen?«
    »Warten Sie! Lassen Sie mich nachsehen - aha, hier ist es! Wir sind zu einer Beerdigung eingeladen!« Mein Herz stockte. Das Letzte, was ich brauchte, waren schlechte Nachrichten. »Oje. Wer ist es denn?«
    »Warten Sie! Hier steht's! Was ist das? Ich kann den Namen nicht lesen. Sieht aus wie Mrs. Lily und Brown, einundneunzig Jahre, ist friedlich im Nightmare House eingeschlafen.«
    Dann hatte sie es also nicht geschafft auszubrechen, das arme Ding.
    »Wer ist diese Brown Lily?«
    »Das ist die alte Dame, mit der Sie sich im Krankenhaus angefreundet haben. Und in Northmere-House. Wissen Sie nicht mehr? Die, die immer nach Zigaretten gefragt hat.«
    »Die die Hausschuhe von der toten Frau gekriegt hat? Die ist nicht meine Freundin - die ist total meschugge.«
    »Aber es ist doch nett, dass Sie zu ihrer Beerdigung eingeladen sind. Ihre Familie muss sich an Sie erinnert haben.«
    »Was ist so nett an einer Beerdigung?«
    »Wollen Sie nicht hingehen?«
    »Natürlich müssen wir hingehen!«
    Das Krematorium befand sich in Golders Green, meilenweit weg, noch jenseits von Hampstead Heath. Ich erzählte Nathan von der Beerdigung und fragte, ob er nicht Lust hätte, mit seinem Tati mitzukommen.
    »Es wird ihm Spaß machen«, sagte ich. »Da wird bestimmt viel gesungen.«
    Irgendwie schafften wir es, uns zu viert in Nathans Morgan zu quetschen, der eigentlich nur ein besserer Zweisitzer war. Nathan und Mrs. Shapiro saßen vorn. Sie trug einen langen schwarzen Mantel, der angenehm nach Mottenkugeln und Chanel No. 5 duftete - besser als der muffige Persianer -, und ein schickes schwarzes Hütchen mit Schleier und einer Feder. Nathans Tati zwängte sich mit mir auf den Rücksitz. Er trug einen Regenmantel und einen Filzhut im Bogart-Stil. Ich hatte mein gutes graues Jackett und einen schwarzen Schal an. Der Wagen ächzte unter unserem Gewicht, als er die Finchley Road hinausfuhr. Es war ein Samstagmorgen im April, die Luft war warm und funkelte im schrägen Sonnenlicht. In den Vorgärten standen die Kirschbäume bereits in voller Blüte.
    Nathans Tati bot Mrs. Shapiro seinen Arm, um sie die Stufen hinaufzugeleiten, und sie nahm ihn mit einem huldvollen Nicken. Außer uns waren nur zwei Leute in der Kapelle: eine graue,

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